Der Schuldendienstdeckungsgrad als zentrale Kennziffer

Der Schuldendienstdeckungsgrad (Debt Service Cover Ratio, DSCR) ist die wahrscheinlich am haufigsten gebrauchliche Kennzahl innerhalb einer Projekt — finanzierung:

Cashflow der Periode + Schuldendienstreserve

DSCR =

Schuldendienst der Periode

Diese Kennzahl wird zum einen jahrlich — manchmal auch zu jedem Kapital — diensttermin — berechnet, zum anderen aber bereits zur Planung eines Projektes uber die gesamte Kreditlaufzeit ausgewiesen. Die Dominanz des DSCR erklart sich unmittelbar aus dem zentralen, wirtschaftlichen Charakteristikum einer Pro — jektfinanzierung: Da die zur Finanzierung des Projektes aufgenommenen Darlehen ausschliefilich aus dem vom Projekt generierten Cashflows zuruckgefuhrt werden, ist es nahe liegend, den Cashflow-Verlauf dahingehend zu untersuchen, ob er in der Lage ist, den Kapitaldienst fur die Darlehen zu erbringen. Wenn der Schulden­dienstdeckungsgrad die einzige verwandte Kennzahl ist, ist dies fur die Zwecke einer Projektfinanzierung gleichwohl ausreichend.

Der DSCR gibt an, um welchen Faktor der erwartete Cashflow den Kapitaldienst in jedem Jahr uber — oder unterdeckt. Banken sind aufgrund ihrer Risikopraferenzen nur bereit, Projektkredite bei Uberschreitung bestimmter Uberdeckungsverhalt — nissen zur Verfugung zu stellen. Wenn der DSCR unter 1,00 fallt, kann das Projekt seinen Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag nicht mehr vollstandig nachkommen und muss entweder weitere Kreditmittel aufnehmen, Eigenmitteleinschusse erhalten oder eine Anderung des Tilgungsprofils muss verhandelt werden. Die Kennzahl ist im besonderen Mafie dafur geeignet, das Ruckzahlungsprofil eines Projektes zu bestimmen. In der oben genannten Verwendung beinhaltet sie die Schuldendienst­reserve: Dies hat zwar den Nachteil, dass im Basisfall der DSCR strukturell uber — schatzt wird, aber den deutlichen Vorteil, dass in einem Belastungsfall — und vor allem dieser interessiert die Kreditgeber — die Belastbarkeit des Vorhabens inklusive der Reserven, die fur die Bedienung des Kapitaldienstes zur Verfugung stehen, auf- gezeigt wird.

Wenn die Kennzahl wie oben benutzt wird, sollte sich die Interpretation auf einen Belastungsfall beziehen. In einem Basisfall ist zu berucksichtigen, dass der DSCR um die Schuldendienstreserve zu hoch ausgewiesen wird. Keinesfalls durfen hier andere Konten als die Schuldendienstreserve eingerechnet werden, wie z. B. eine Wartungskostenreserve. Der Schuldendienstdeckungsgrad ist eine hochgradig verdichtete Kennzahl, da sie samtliche Einzahlungen und Auszahlungen eines Vor — habens vor dem Hintergrund der Kapitaldienstfahigkeit darstellt.

In jedem Fall sei davor gewarnt, allein auf den minimalen Schuldendienst­deckungsgrad eines Vorhabens zu sehen. Dies ist ein eher allgemeiner Merksatz, der bereits in einer Reihe von Rechnungslegungssystemen festgeschrieben ist: Es existiert keine Moglichkeit, die Performance eines Unternehmens in einer Kenn­zahl auszudrucken. Daher sollte keine alleinige, ubertriebene Bedeutung auf eine noch so wichtige Kennzahl gelegt werden, sondern zusatzlich untersucht werden, welche Parameter realistischerweise wie weit schwanken konnen und welche Kon — sequenzen sich insoweit auf die Belastbarkeit des Vorhabens ergeben.

Je nach Risikoeinschatzung kann der festgesetzte Mindestdeckungsgrad stark variieren, wobei er umso hoher sein wird, je grofier die Risikoubernahme der Pro — jektbeteiligten ist. Entsprechend schwanken die Uberdeckungsverhaltnisse in Abhangigkeit von den Erfahrungen der Branche und dem jeweiligen Risikoprofil eines Projektes. Wichtig ist die Frage, wie robust das Projekt gegenuber negativen Planabweichungen reagiert und welche Sicherungsmechanismen greifen, um daraus eine Mindestdeckungsrelation fur die Vergabe von Projektkrediten zu ermitteln.

Die Bedeutung der Risikoabsicherung nach dem Kriterium des Schuldendienst — deckungsgrades zeigt auch eine Schwache dieses Verfahrens: Sein Ausgangspunkt ist nicht die Analyse der Risiken als solche und ihre Bemessung, sondern die auf die moglichen Folgen abgestellte Bemessung eines Risikopolsters, mit dem die verbleibenden Risiken pauschal abgesichert werden sollen. Solange das pauschal bestimmte Sicherheitspolster eine ausreichende Abfederung verschafft, mag dies genugen. Je dunner allerdings die Polster werden, umso starker rucken wiederum die Einzelrisiken und die spezifischen Risikoinstrumente in den Vordergrund.