Prozessbiologie

In Tab. 4.11 werden die Mittelwerte und Spannweiten verschiedener Parameter der Prozessbiologie betrachtet, die in Messprogrammen an Praxisanlagen erhoben wurden.

Bei 1.000 NawaRo-Anlagen wurde in Tab. 4.12 ausfuhrlich Beschriebenes, bezuglich der fluchtigen organischen Sauren festgestellt (Holker 2008b).

4.5.2.1 Anlagentechnik

In Abschn. 4.5.1 wurde ein Uberblick zum Biogasanlagenbestand in Deutschland gegeben, der an dieser Stelle noch erganzt werden soll. Im Rahmen des Biogas- Messprogramms II (FNR 2009) wurden bundesweit die Daten von 413 Biogas — anlagen erhoben. Bei der Einbringung von Feststoffen werden bei 84 % der Anlagen Schneckensysteme benutzt und bei 9 % eine Vorgrube. Presskolben, Einspulschacht und Radlader (nur bei Boxenfermentern zur direkten Einbringung) sind dagegen

Tab. 4.11 Praxiserfahrungen bei verschiedenen Parametern

Parameter

Praxiserfahrungen

Substrat-

beschaffenheit/-

mix

Die Substratbeschaffenheit ist anlagenspezifisch. Aber nahezu alle land — wirtschaftlichen Anlagenbetreiber setzen unter anderem Maissilage ein (FNR 2009). Der Anteil an eher faserreichen Substraten wie Gras, Ganz — pflanzensilage oder Rindermist ist in den kleinen Biogasanlagen in Bayern und Baden-Wurttemberg deutlich hoher als in groBeren Anlagen in Nord — deutschland (Holker 2009, S. 24—27). Je mehr und je einseitiger nachwach — sende Rohstoffe eingesetzt werden, desto haufiger werden Spurenelement — zusatze verwendet, teilweise ohne eine Ermittlung des konkreten Bedarfs der Anlagen. Umfangreiche Untersuchungen an Biogasanlagen zeigen regionale Unterschiede im Spurenelementbedarf. Tendenziell sind nord- deutsche Anlagen eher mit Kobalt unterversorgt, wahrend suddeutsche eher einen Mangel an Selen und Wolfram aufweisen (Holker 2011).

T rocken — massegehalt

Der Trockenmassegehalt im Fermenter ist vom Trockenmassegehalt der Substrate, deren Abbaugrad (in Abhangigkeit von der Verweilzeit und der Substratvorbehandlung) und vom Einsatz von Rezirkulat abhangig. In der Praxis wird ein moglichst geringer Wasseranteil angestrebt, um das Fermentervolumen und den Warmebedarf zu minimieren. Die obere Grenze des Trockenmassegehalts wird im Zusammenspiel mit der Viskositat durch die Ruhr — und Pumpfahigkeit des Gargemischs bzw. die Zuganglichkeit des Substrates fur den biologischen Abbau bestimmt. Bei Untersuchungen an 61 BGAs war der TR-Gehalt der meisten Anlagen zwischen 6 und 9 % (Mit — tel 7,9 %), gut 15 % lagen darunter und rund 20 % daruber (FNR 2009).

Ammonium-

Stickstoffgehalt

Bei Untersuchungen an Praxisanlagen wurden gemittelte Gesamtstickstoff — gehalte zwischen 1,6 und 8,8 kg/t sowie Ammoniumstickstoffgehalte von 1,4 bis 5,7 kg/t gemessen (FNR 2009). Beim Einsatz von proteinhaltigen Substraten, wie Exkrementen aus der Geflugelhaltung oder Getreidekorn ist darauf zu achten, dass hemmende Konzentrationen erreicht werden konnen.

pH-Wert

In Praxismessungen an 1.000 BGAs wurde ein Mittelwert fur den pH-Wert von 7,72 ermittelt und ein Bereich von 7,37 bis 8,02 empfohlen (Holker 2008a). Grundsatzlich wird fur Essigsaure bildende Bakterien und methano — gene Archaeen ein pH-Wert im neutralen Bereich von 6,5 und 8 empfohlen (Lebuhn et al. 2008, S. 118-125).

FOS/TAC

Als Mittelwert von 1.000 BGAs wird ein FOS/TAC-Wert im Garmedium von 0,40 g/l angeben. Empfohlen wird ein Bereich von 0,11 bis 0,55 g/l (Holker 2008b, S. 22 ff.).

Prozesstem-

peratur

In der Praxis sind die Prozesstemperaturen der Fermenter, meist in Abhan — gigkeit vom Anlagenhersteller, regional unterschiedlich eingestellt. So wurden im norddeutschen Raum 39,65 °C im Durchschnitt von 350 Anlagen und im suddeutschen 43,2 °C im Durchschnitt von nahezu 500 Anlagen gemessen (Holker 2008b, S: 22 ff.). Durch hohere Temperaturen soll ein beschleunigter und verstarkter Umsatz des Substrats erzielt werden. Das konnte durch Untersuchungen an Praxisanlagen nicht bestatigt werden. Als moglicher Nachteil wird die Selektion der Mikroorganismen auf ein Konsor — tium von Spezialisten diskutiert, die empfindlich auf Temperaturschwankun — gen reagieren. Weiterhin konnen sich mit einer Temperaturerhohung die Erhohung der Ammoniakkonzentration, die Senkung des Carbonatpuffers und der erhohte Warmeenergiebedarf nachteilig auswirken. Zudem sinkt die Enzymstabilitat mit steigender Temperatur (Holker 2009).

Tab. 4.11 (Fortsetzung) Praxiserfahrungen bei verschiedenen Parametern Parameter Praxiserfahrungen

Gaszusammen — Biogas besteht aus Methan, Kohlendioxid und weiteren Begleitgasen wie setzung Schwefelwasserstoff und Wasserstoff. Der Methangehalt ist abhangig von

der Substratzusammensetzung, so fuhrt aufgrund der chemischen Zusam — mensetzung von Proteinen und Lipiden deren Umsetzung zu hoheren Methangehalten im Biogas als bei Kohlenhydraten. Bei landwirtschaftli- chen Anlagen sind es durchschnittlich 52 % Methan (FNR 2009). Bei mehrstufigen Prozessen wird zumeist in der ersten Stufe mehr Kohlendioxid gebildet und in der zweiten mehr Methan. Ggf. kann in der ersten Stufe auch vermehrt Wasserstoff gebildet werden, das erfordert hochste Sorgfalt beim Explosionsschutz. Schwefelwasserstoff wird mit verschiedenen biologischen Verfahren bzw. deren Kombination aus dem Biogas entfernt.

Hydraulische Die hydraulischen Verweilzeiten sind bei den einzelnen Anlagen sehr Verweilzeit unterschiedlich. Bei Messungen an 1.200 Anlagen wurden 7 Regionen zusammengefasst, die durchschnittlich von minimal 91 Tagen bis maxi­mal 133 Tagen reichen (Holker 2009). Des Weiteren werden hydraulische Verweilzeit von 1,6 bis 140 Tage fur die ersten Stufen, 4 bis 254 Tage fur die zweiten Stufen und 8 bis 14 Tage fur die dritten Stufen von BGAs angege- ben (FNR 2009). Durch Rezirkulateinsatz andern sich die Bedingungen.

Sind hydraulische Verweilzeit und Substrat nicht richtig aufeinander abge — stimmt, kann entweder eine Substratvorbehandlung oder eine Erweiterung des Garvolumens zu einer besseren Ausnutzung des Substrats fuhren. Raumbelastung Angaben zur Raumbelastung fur Praxisanlagen reichen von durch-

schnittlich 4,37 kg oTS/(m3*d) und Spannweiten zwischen unter 1 bis uber 14 kg oTS/(m3*d) fur 1.000 Anlagen (Holker 2008a); bis durchschnitt­lich 4,5 kg oTS/(m3*d) fur einstufige Anlagen bzw. 2,2 kg oTS/(m3*d) fur mehrstufige Anlagen bei Spannweiten von 1,1 bis 9,9 kg oTS/(m3*d) fur 61 Anlagen (FNR 2009).

Подпись: Tab. 4.12 Bereiche fur Konzentrationen von fluchtigen organischen Sauren. (Lebuhn et al. 2008, S. 118-125) Saure Mittelwert (g/l) Empfohlener Bereich (g/l) Essig- 1,46 0-2,99 Propion- 0,65 0-0,60 Butter- 0,07 0-0,05 Isobutter- 0,08 0 Valerian- 0,03 0-0,11 Isovalerian- 0,12 0 Capron- 0,02 0-0,02

von untergeordneter Bedeutung. Die Fermentergrofie betrug zwischen 350 und 9.200 m3 und lag bei 3.000 m3 im Durchschnitt. Zur Durchmischung setzten mehr als 60 % der Betreiber Tauchmotorruhrwerke allein oder in Kombination mit anderen Ruhrwerken ein. Des Weiteren finden Langachs- (12,9 %), Paddel — (7,4 %)

und Zentralruhrwerke (6,0 %) Anwendung. Zur Gasspeicherung sind Foliendacher als Einfach — oder Tragluft-Doppelfolie weit verbreitet (70 %). Aber auch externe Speicher (30 %) wie Folienkissen, Foliensack in Silo oder Doppelmembran werden genutzt (FNR 2009).

Trotz der wachsenden Zahl an Biogasaufbereitungs — und -einspeiseanlagen wird an den BGAs uberwiegend das Biogas direkt vor Ort in Blockheizkraftwerken (BHKW) in elektrische und thermische Energie umgewandelt. Um die Nutzung der (Ab-)Warme zu verbessern, lohnt es sich auch fur einige Betreiber, das Biogas in einer Mikrogasleitung zu einem Satelliten-BHKW zu transportieren, dort zu ver — stromen und die Warme an einen externen Abnehmer abzugeben. Naturlich kann auch eine Nahwarmeleitung vom BHKW am BGA-Standort zu einem Warmeab — nehmer gelegt werden; bei grofieren Entfernungen wird dieses Konzept aber auf — grund der Energieverluste durch Warmeabstrahlung aus den Leitungen technisch und wirtschaftlich uninteressant.

In den BHKW werden uberwiegend Gas-Otto-Motoren eingesetzt. 77 % der BGA verfugen uber Gasmotoren oder Gasmotoren und gleichzeitig Zundstrahl- motoren. Bei Neuanlagen (Inbetriebnahme 2010/2011) steigt der Anteil der Gas­motoren auf 83 %. Beide BHKW-Typen konnen elektrische Wirkungsgrade bis uber 40 % erzielen.

Von entscheidender Bedeutung fur die Anlagenuberwachung und — steuerung ist eine messtechnische Erfassung wesentlicher Anlagenparameter. Ein Stromzahler befindet sich auf nahezu allen deutschen Biogasanlagen. Des Weiteren ist folgende Messtechnik ublich: Gasmengenerfassung bei etwa 70 %, Gastemperatur bei etwa 55 %, Gasanalytik bei etwa 62 %, Eigenstromverbrauch bei etwa 76 %, Sub — stratmengenerfassung (flussig) bei etwa 54 %, Substratmengenerfassung (fest) bei etwa 79 % und Warmemengenzahler (Fremdnutzer) bei etwa 86 % der Anlagen (FNR 2009). Neben der Verfugbarkeit der Messtechnik ist hier insbesondere die Zuverlassigkeit von grofiter Bedeutung. Die Erfahrung mit Fehlmessungen zeigt, dass hier Kalibrierungen oder mindestens Plausibilitatsprufungen erforderlich sind, um die Belastbarkeit der Messwerte und deren Verwendbarkeit fur eine Bewertung der Anlage zu prufen.