Entwicklungstendenzen

Die anaerobe Fermentation ist — im Vergleich zu anderen Biomassenutzungs — optionen — eine sehr effiziente Option zur Umwandlung von Biomasse in Energie, da a) die Umwandlungswirkungs — und — nutzungsgrade relativ hoch sind, b) ein sehr vielseitig einsetzbarer Energietrager (d. h. Biogas bzw. Biomethan) entsteht und c) der Garrest zur Schliefiung von Nahrstoffkreislaufen und zur Humuserhaltung eingesetzt werden kann. Deshalb hat sie — unterstutzt durch eine durchaus wohl — wollende Setzung des energiewirtschaftlichen Rahmens (d. h. des Erneuerbare — Energien-Gesetzes, EEG) — in den letzten Jahren deutlich an Marktbedeutung in Deutschland gewonnen.

Gleichzeitig werden jedoch die Auswirkungen einer grofitechnischen Biogas — erzeugung insbesondere auf der Basis von Energiepflanzen auf die naturliche Umwelt zunehmend kontrovers diskutiert. Beispielsweise ist Mais als C4-Pflanze eine sehr effiziente Moglichkeit zur Biomasseerzeugung. Deshalb wird sie der — zeit verstarkt in Deutschland als Energiepflanze zur Vergarung angebaut mit der Folge, dass vermehrt Monokulturen (Stichwort: Vermaisung der Landschaft) mit allen damit verbundenen unerwunschten Auswirkungen auf die Bodenqualitat realisiert werden. Hinzu kommt die Flachen- und Biomassekonkurrenz zu

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Abb. 4.16 Beispiel fur eine Biogasanlage zur Vergarung von stapelfahigen Substraten

Nahrungsmittelerzeugung und damit die Diskussion um „Teller oder Tank“, welche letztlich zu der oft gestellten ethisch-moralischen Frage fuhrt, ob es in Anbetracht des Hungers auf der Welt zu verantworten ist, subventioniert Flachen zur Ener — giegewinnung zu nutzen. Diese, an politischer Bedeutung gewinnende, Diskussion hat wiederum entsprechende Konsequenzen auf die Weiterentwicklung sowohl der Biogasanlagentechnik als auch der in der Praxis umgesetzten Anlagenkonzepte.

Um vor dem Hintergrund dieser hier nur sehr bruchstuckhaft wiedergegebenen und sehr vielschichtigen Diskussionslage mit einer modernen Biogaserzeugung und — nutzung den politischen Forderungen in okologischer, okonomischer und ethisch-moralischer Hinsicht moglichst weitgehend gerecht zu werden, mussen deshalb zukunftig noch mehr als in der Vergangenheit Konzepte realisiert werden, mit welchen die Wirkungsgrade der gesamten Produktionskette bei der Bio — gasgewinnung (d. h. vom Anbau bis zur energetischen und stofflichen Nutzung) maximiert, die Umwelteffekte minimiert und die Akzeptanz optimiert werden.

Der Schlussel, mit dem aus Sicht der Verfahrenstechnik zur Meisterung der damit verbundenen Herausforderungen beigetragen werden kann, ist ein im Ver — gleich zum gegenwartigen Zustand deutlich verbesserter Biomasseabbau (d. h. das in den Reaktor eingebrachte Substrat muss in kurzerer Zeit mit geringeren Verlusten weitergehend abgebaut werden) und damit eine merklich bessere Ener — gieausbeute bei keinen oder nur sehr geringen Umweltauswirkungen. Nur wenn damit die technische und okologische Effizienz derartiger Systeme deutlich ver — bessert wird, konnen die Gasgestehungskosten weiter reduziert und damit auch die Wirtschaftlichkeit im Vergleich zu anderen Energiebereitstellungsoptionen verbes — sert werden. Trotz der in den letzten Jahren erreichten Fortschritte (unter anderem deutlich hohere Raumbelastung[224] [225]) ist hier noch ein unausgeschopftes Entwicklungs — potenzial gegeben, das aber nur durch eine Vielzahl unterschiedlicher Mafinahmen — und insbesondere deren integriertes Zusammenspiel — erschlossen werden kann. Deshalb werden nachfolgend Einzelaspekte diskutiert, die hierzu einen Beitrag leisten konnen

• Biologischer Abbau. Bisher ist der eigentliche biologische Abbau, wie er in Biogasanlagen stattfindet, noch nicht vollstandig und umfassend verstanden. Dies erschwert die Umsetzung von Mafinahmen zu dessen Verbesserung. Des­halb muss es das Ziel zukunftiger Entwicklungen sein, das Verstandnis der biologischen Abbauvorgange — und der sie beeinflussenden exogenen Para­meter — deutlich zu verbessern und dadurch den Abbauprozess insgesamt zu optimieren. Ein Beispiel fur einen diesbezuglichen Ansatz ist die Entwicklung von Biokatalysatoren, die dem Fermenter zugegeben werden und einen hoheren Biogasertrag versprechen.

• Bedingungen im Reaktor. Bei den heute marktgangigen landwirtschaftlichen Biogasanlagen sind ein gleichmafiiger Warmeeintrag und eine gute Durch — mischung des Substrats nicht immer zwingend gegeben. Dies liegt unter anderem darin begrundet, dass die Wirkung der Ruhrwerke auf die z. T. hoch — viskosen Substrate, deren Viskositat sich zusatzlich noch im Laufe der Zeit mit wechselnder Substratzusammensetzung und/oder aufgrund jahreszeitlicher Unterschiede (z. B. der Gulle aufgrund mit den Jahreszeiten verschiedenartiger Futterzusammensetzung) verandern kann, noch nicht umfassend analytisch ver­standen wurde. Und wenn die Vermischung im Fermenter unvollstandig ist, ist zu erwarten, dass sich auch eine entsprechend ungleichmafiige Temperaturver — teilung im Fermenter einstellt; beides fordert nicht zwingend die biologischen Abbauprozesse. Deshalb muss — im Sinne einer weitergehenden Optimierung des Anlagenbetriebs — unter anderem die Systemkombination zwischen War­meeintrag und Vermischung — substratspezifisch — verbessert werden.

• Bessere Steuerung und Regelung. Biogasanlagen konnen bisher nur sehr lang — sam auf Anderungen in den Substrateigenschaften reagieren, die aber in der landwirtschaftlichen Praxis kaum verhindert werden konnen. Diese Tragheit der mikrobiellen Anpassungsfahigkeit liegt zum einen in der Biologie — und hier vor allem in den relativ langsamen Wachstumsraten bestimmter am anaer — oben Abbau beteiligten Bakterienstamme — und zum anderen an dem bisher noch unzureichenden Verstandnis der einzelnen, den Prozess regelnden Para­meter begrundet. Deshalb mussen Techniken und Verfahren verfugbar gemacht werden, mit denen Biogasanlagen besser im Hinblick auf einen stabilen Betrieb und einen maximalen Biomasseabbau — bei schwankender Substratzusammenset­zung — gesteuert und geregelt werden konnen.

• Mehrstufige und mehrphasige Anlagen. Aus Kostengrunden werden — ins­besondere im landwirtschaftlichen Bereich — oft nur einstufige Biogasanlagen realisiert (d. h. der biologische Abbauprozess findet am gleichen Ort und zur gleichen Zeit statt). Da bei einem derartigen System der Abbau in einem ein — zigen Fermenter stattfindet, in dem durchschnittliche Bedingungen vorliegen, lauft keiner oder nur wenige der einzelnen Umsetzungsschritte im optimalen bzw. nahe dem optimalen Bereich ab. Der anaerobe Abbau kann damit insgesamt nur in engen Grenzen maximiert werden. Dafur wird jedoch der technische Auf — wand minimiert, da nur ein Fermenter benotigt wird. Ziel der technischen Wei — terentwicklungen sollte es deshalb sein, kostengunstige Fermenterkonzepte zu entwickeln und umzusetzen, in denen jede einzelne Abbaustufe optimal umge — setzt werden kann. Derartige Konzepte sind vorhanden, aber bisher technisch noch zu aufwandig und damit teuer. Mit dem Ziel einer weiteren Effizienz — steigerung mussen derartige Konzepte — unter Kosteneffizienzgesichtspunkten — aber forciert entwickelt werden.

• Garrestaufbereitung. Der iiberwiegende Anteil des Garrestes besteht aus Wasser, das bei der Ausbringung (kostenintensiv) transportiert werden muss. Aufierdem benotigen einige Biogasanlagenkonzepte z. T. erhebliche Wassermengen dann, wenn sie eine Anmaischung der Substrate mit Frischwasser realisieren. Eine Garrestaufbereitung kann hier eine Win-win-Situation schaffen, da mit dem aus dem Garrest abgetrennten Wasser eine Anmaischung des Frischsubstrats realisiert werden kann und gleichzeitig noch ein Teil der aktiven Biomasse in den Abbauprozess ruckgefuhrt werden kann. Die Entwicklung entsprechender Techniken und Konzepte, die den jeweils gegebenen Anforderungen moglichst maximal Rechnung tragen, gewinnt deshalb in den kommenden Jahren zuneh — mend an Bedeutung. Dies gilt insbesondere auch fur die Kombination einer Ver — garung und einer Kompostierung.

Neben diesen Einzelaspekten mussen auch die den landwirtschaftlichen Biogas-

anlagen heute zugrunde liegenden Konzepte zukunftig weiterentwickelt werden,

um den sich andernden Rahmenbedingungen und Anforderungen adaquat Rech­nung zu tragen. Dies gilt unter anderem im Hinblick auf die folgenden Aspekte.

• GroBere Anlagenleistungen. Steuert der Gesetzgeber dem nicht durch die Set — zung der energie — und umweltpolitischen Rahmenbedingungen entgegen, wird es — economy of scale folgend — zukunftig aufgrund von Kostenreduktions- zwangen zu tendenziell grofieren Anlagenleistungen kommen. Diese sind spezi- fisch kostengunstiger und i. Allg. technisch ausgereifter, da eine aufwandigere Anlagentechnik eher bei grofieren Anlagen okonomisch darstellbar ist und der Betrieb hier i. Allg. von geschultem Fachpersonal realisiert wird. Insgesamt werden die in Biogasanlagen installierten Leistungen aber immer in einem ver- gleichsweise moderaten Leistungsbereich (d. h. der untere bis mittlere einstel- lige MW-Bereich bezogen auf die installierte Gasleistung) bleiben, da die mit steigender Leistung deutlich ansteigenden Biomassebereitstellungskosten einer weiteren Leistungssteigerung entgegenstehen.

• Biogaseinspeisung. Der energiewirtschaftliche Rahmen (EEG) in Deutsch­land forcierte bisher eine Biogasverstromung. Dies hat jedoch den Nachteil, dass dadurch die in Koppelproduktion anfallende Warme oft nur eingeschrankt genutzt werden kann und dadurch die okonomischen und okologischen Parameter der Gesamtanlage — trotz einer Vielzahl okologischer Vorteile — eher bescheiden ausfallen. Dieses Problem kann dann gelost werden, wenn das Biogas an Stand — orte transportiert wird, an denen eine entsprechende Warmesenke gegeben ist und die in Koppelproduktion anfallende thermische Energie (nahezu) voll — standig genutzt werden kann; dies kann durch eine Einspeisung des Biogases in lokale Biogasnetze oder — nach einer entsprechenden Aufbereitung — in das Erdgasnetz erreicht werden (aus okonomischer Sicht sind diese Ansatze aber nur bei einer entsprechend grofien installierten Gasleistung der Biogasanlage umsetzbar). Hinzu kommt, dass — ist das Biomethan im Gasnetz vorhanden — es unter anderem auch als effizienter Biotreibstoff in CNG-Fahrzeugen eingesetzt werden kann. Deshalb ist zu erwarten, dass durch die staatlich angestrebte Ver — besserung der okologischen KenngroBen zukunftig die Biogaseinspeisung merk — lich an Bedeutung gewinnen wird.

• Minimierung der gasformigen Emissionen. Biogas ist bereits seit Jahren in der Kritik, unter anderem bezuglich moglicher Methan-Leckagen und potenzieller Stickstoffoxid — bzw. Lachgas-Emissionen, welche die Klimabilanz einer Biogas — erzeugung deutlich verschlechtern konnen. Deshalb ist zu erwarten, dass der Gesetzgeber die diesbezuglichen Umweltstandards entsprechend anpassen bzw. verscharfen wird. Damit ist es wahrscheinlich, dass zukunftig die Anlagentech — nik umweltfreundlicher — und das meint vor allem — klimavertraglicher aus — gefuhrt werden muss; dies ist mit potenziell hoheren Investitions — und Betriebs — kosten verbunden.

Neben diesen MaBnahmen an der eigentlichen Anlage gewinnt auch die

Optimierung der Substratproduktion und — aufbereitung an Bedeutung, da hier

ebenfalls Verbesserungspotenziale erschlieBbar sind. Nachfolgend werden einige

Beispiele diskutiert.

• Weitere Energiepflanzen. Zukunftig mussen bei der Produktion von Ener — giepflanzen nicht nur die flachenspezifischen Aufwuchsraten erhoht werden, sondern auch alternative Pflanzenarten und — sorten gefunden werden, die unter den Bedingungen in Deutschland umweltvertraglich und nachhaltig — und das bei einem hohen Produktionsniveau — anbaubar sind (unter anderem gute Bodenbe — deckung im Winter, Bodenerosion in der vegetationsarmen Zeit vermeiden) und zusatzlich einen hohen Gehalt an leicht zu vergarenden Inhaltsstoffen auf — weisen. Des Weiteren mussen Anbau — und Erntetechniken sowohl im Hinblick auf eine Minimierung der energetischen Verluste als auch auf die Reduzierung der unerwunschten okologischen Folgen optimiert werden.

• Erweiterung der nutzbaren Riickstande, Nebenprodukte und Abfalle. Da von der Stoffgruppe der Ruckstande, Nebenprodukte und Abfalle (d. h. Rest — stoffe) in landwirtschaftlichen Biogasanlagen bislang hauptsachlich Gulle einge­setzt wird, kann hier die Ressourcenbasis erweitert werden. Deshalb werden heute teilweise schon Gras von Landschaftspflegeflachen und andere landwirt — schaftliche Nebenprodukte (z. B. Stroh) als Substrate in landwirtschaftlichen Anlagen eingesetzt; dies gilt auch fur andere agrarische Stoffstrome, fur die bisher keine stoffliche und/oder energetische Verwertungsmoglichkeit vor­handen ist (z. B. diverse Ernteruckstande); bei derartigen Substraten besteht auch keine Konkurrenz zu der Nahrungsmittelindustrie. Weiterhin konnten auch

bestimmte Stoffstrom-Komponenten des lokal anfallenden organischen Abfalls verstarkt genutzt werden, wenn er — unter Berucksichtigung der gesetzlichen Vorgaben — in die landwirtschaftlichen Stoffkreislaufe ruckgefuhrt werden kann und darf. Die Entwicklung durfte daher in Richtung einer deutlich breiteren Palette von Substratstromen gehen, welche vor allem Ruckstande, Nebenpro — dukte und organische Abfalle beinhaltet.

• Lagerung, Aufbereitung und Vorbehandlung. Hinzu kommen mogliche Optimierungspotenziale bei der Lagerung, Aufbereitung und Vorbehandlung der Substrate mit dem Ziel der Minimierung der energetischen Verluste und der oko — logischen Auswirkungen. Beispielsweise entziehen sich bestimmte organische Stoffstrome einem anaeroben Abbau teilweise und z. T. auch vollstandig. Sie konnen aber durch einen wie auch immer gearteten Aufschluss, welcher der eigentlichen anaeroben Fermentation vorgeschaltet sein muss, einem Abbau zuganglicher gemacht werden. Technisch ist das dadurch moglich, indem die organischen Makromolekule teilweise aufgebrochen und/oder deren chemische Struktur verandert wird. Ziel muss es sein, diesen Prozess kostengunstig so zu gestalten, dass ein fur jeden beliebigen Stoffstrom definiertes Ergebnis erreich — bar ist.

Neben einer weiteren Verbesserung des eigentlichen anaeroben Abbaus und dessen verfahrenstechnische Umsetzung sowie einer zunehmenden Anpassung und Optimierung der entsprechenden Konzepte einschliefilich der Biomasseproduktion bzw. — bereitstellung gewinnt auch eine Erweiterung des Systems „Biogasanlage“ immer mehr an Bedeutung. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf eine gekoppelte Erzeugung von Energie und Produkten fur eine stoffliche Nutzung innerhalb und auch aufierhalb der Landwirtschaft; ein wesentlicher Treiber fur den letzteren Aspekt ist die Tatsache, dass dadurch die Wertschopfung erhoht und die Akzeptanz in der Bevolkerung verbessert werden kann. Nachfolgend werden einige diesbezug — liche Ansatze diskutiert.

• Proteine. Im Ausgangssubstrat und ggf. im vergorenen Substrat konnen bestimmte Proteine vorhanden sein, die mit entsprechenden Techniken und Verfahren abgetrennt und auf dem Nahrungs — und Futtermittelmarkt gewinn — bringend abgesetzt werden konnen.

• Dungemittel mit definierten Eigenschaften. Die Garreste beinhalten eine Vielzahl an Nahrstoffen, die beim Pflanzenwachstum benotigt werden. Sie so aufzubereiten, dass sie zukunftig gezielter und mit besser abschatzbarer, klar definierter Wirkung — vergleichbar zu mineralischen Dungern — einsetzbar sind, ist eine wesentliche Herausforderung fur die kommenden Jahre.

• Kohlenstoffdioxid. CO2, wie es bei der Biogasaufbereitung als Abfallprodukt anfallt, kann einen Wertstoff dann darstellen, wenn es beispielsweise an die Getrankeindustrie zur Herstellung von mit Kohlensaure versetzten Produkten verkauft werden kann.

Insgesamt gesehen sind damit die gegebenen Herausforderungen, mit denen sich die Biogaserzeugung und — nutzung in den kommenden Jahren konfrontiert sieht, erheblich. Trotzdem lassen die in den vergangenen Jahren gemachten Fortschritte und Erfahrungen erwarten, dass diese Aufgaben gemeistert werden konnen und dass Biogas im Energiesystem der Zukunft einen deutlich weitergehenden tech — nisch effizienten, okonomisch darstellbaren und umwelt — und klimavertraglichen Beitrag wird leisten konnen und auch mussen, wenn die energie-, umwelt — und klimapolitischen Ziele der Bundesregierung erreicht werden sollen.