Biomasseaufschlussverfahren

Unterschiedliche Komponenten organischer Stoffe (z. B. Proteine, Fette, Kohlehydrate, Cellulose, Hemicellulose, Lignin) sind anaerob mit verschieden — artiger Geschwindigkeit zu einem unterschiedlichen Ausmafi abbaubar. Bei­spielsweise werden Fette i. Allg. schnell und vollstandig mit einem vergleichs — weise sehr hohen Methanertrag vergoren. Im Unterschied dazu ist z. B. Lignin anaerob nicht abbaubar; deshalb ist verholzte Biomasse nur sehr schwer und nur z. T. in Biogasanlagen zersetzbar. Aufierdem bildet Lignin durch die Verbindung mit Hemicellulose uber sogenannte Lignin-Kohlenhydrat-Komplexe eine Matrix, welche die Cellulosefibrillen schutzend umschliefit. Dieser in der Natur wichtige Schutz der Cellulose vor dem Angriff von Mikroorganismen hemmt die Zugang — lichkeit der Biokatalysatoren beim anaeroben Abbau.

Deshalb muss lignocellulosehaltige Biomasse vor dem Eintrag in den Fermenter aufgeschlossen werden, um die Bioverfugbarkeit bzw. die Zuganglichkeit fur die Vergarung zu gewahrleisten und Abbauraten zu erzielen, die eine technisch-wirt — schaftliche Vergarung ermoglichen. Die jeweilige konkret zu realisierende ver — fahrenstechnische Losung wird dabei von der Substratart und dessen Eigenschaften sowie vom gewunschten Ergebnis bestimmt. Nachfolgend wird eine Auswahl unterschiedlicher Aufschlusstechniken erlautert.

Biologische Verfahren. Ein biologisch induzierter Substrataufschluss kann durch Pilze (z. B. Braunfaulepilze, Weififaulepilze) erreicht werden. Diese Pilze bilden Enzyme, die in die Lignocellulose abgegeben werden und dort die organischen Makromolekule spalten. Dies hat den Vorteil geringer Energiekosten und eines geringen Chemikalieneinsatzes. Allerdings benotigen diese Pilze viel

Platz und vor allem viel Zeit, was bisher einen grofitechnischen Einsatz — primar aus Kostengrunden — verhindert hat.

Physikalische Verfahren. Zu dieser Kategorie gehoren neben dem „klassischen“ Zerkleinern Mikrowellen-, Extrusions-, Kavitations — und Ultraschallverfahren. Sie werden im Folgenden kurz beschrieben.

Zerkleinerung. Durch das Zerkleinern wird die spezifische Oberflache erhoht und dadurch der Zugang der den anaeroben Abbau realisierenden Bakterien zu den abbaubaren Lignocellulosekomponenten verbessert. Jedoch ist die Aufmahlung von Lignocellulosebiomasse sehr energieaufwandig und daher allein bisher kaum sinn — voll einsetzbar.

Mikrowellenbehandlung. Bei einer Bestrahlung von Lignocellulose mit Mikrowellen wird der Polymerisationsgrad der Cellulose reduziert. Die lang- kettigen Makromolekule werden in kurzkettigere Oligosaccharide aufgespalten. Dadurch sind sie fur den anaeroben Abbau leichter zuganglich. Nachteilig ist, dass der benotigte Energieaufwand sehr hoch und die grofitechnisch erreichbaren Auf — schlussgrade begrenzt sind. Deshalb befindet sich dieses Verfahren noch im For — schungs — und Entwicklungs-Stadium.

Extrusion. Das Substrat wird hier mittels eines Extruders aufgeschlossen. Unter Extrudern sind Fordergerate zu verstehen, die vergleichbar einem Schneckenforderer feste bis dickflussige Massen unter hohem Druck und hoher Temperatur gleichmafiig aus einer formgebenden Offnung herauspressen (das Verfahren wird als Extrusion bezeichnet). Dabei wird die Struktur der Lignocellulose aufgeschlossen. Die organische Masse ist deshalb danach leichter anaerob abbaubar. Dieses Verfahren ist jedoch ebenfalls energieintensiv und befindet sich noch in der Entwicklung.

Kavitation. Durch Kavitation entstehen Scherkrafte, die auf die Zellen der Lignocellulose wirken und diese zerstoren konnen. Diese Krafte konnen durch eine Stromung oder durch Ultraschall hervorgerufen werden, mit der gezielt Kavitations — blasen erzeugt werden. Dabei hat sich gezeigt, dass bei geringeren Ultraschall — frequenzen grofiere Kavitationsblasen entstehen und dadurch grofiere Scherkrafte auftreten, die dann einen verbesserten Aufschluss versprechen.

Ultraschallbasierte Verfahren sind am Markt verfugbar. Sie konnen sowohl zu dem hier diskutierten Biomasseaufschluss vor der Substratzufuhrung in den Reaktor als auch zum Aufschluss eines aus dem Reaktor abgepumpten Teilstroms einge — setzt werden, der nach der Ultraschallbehandlung wieder dem anaeroben Abbau zugefuhrt wird.

Ultraschall. Neben dem Einsatz von so genanntem hartem Ultraschall (Frequenzen bis 1 MHz), der Kavitationsblasen erzeugt (s. o.), kann auch weicher Ultraschall (20 bis 100 kHz) helfen, Biomasse aufzuschliefien. Bei diesen Frequenzen kommt es jedoch nicht zur Kavitation, sondern lediglich zu einer mikrobiologischen Anregung, welche ebenfalls die Abbaubarkeit fordert. Der Einsatz von weichem Ultraschall in Biogasanalgen wird derzeit im Labormafistab untersucht.

Chemische Verfahren. Diese Gruppe von Aufschlussverfahren lasst sich in saure und alkalische Verfahren unterteilen. Dabei wird der pH-Wert der auf- zuschliefienden Biomasse jeweils kurzfristig in den sauren oder alkalischen Bereich verschoben.

Bei einer Alkalibehandlung bricht die Lignocellulosematrix aus Lignin, Hemicellulose und Cellulose auf, so dass die Cellulose und die Hemicellulose ligninfrei vorliegen und dem Garprozess zuganglich sind. Dadurch konnen die den anaeroben Abbau realisierenden Biokatalysatoren besser angreifen und die Abbaurate wird erhoht.

Bei einer Behandlung mit konzentrierter oder verdunnter Saure werden durch eine saurekatalysierte Hydrolyse Lignin und Hemicellulose aus der Zellwand gelost. Dadurch wird ebenfalls die anaerobe Abbaubarkeit deutlich erhoht.

Obwohl derartige Verfahren grundsatzlich nachgewiesenermahen eine gute Abbauverbesserung ermoglichen, befinden sie sich noch in der Entwicklung, da der Aufwand durch die notwendige Neutralisierung des Alkali — oder Saurezusatzes vor dem eigentlichen anaeroben Abbau erheblich ist und bisher eine kommerzielle Umsetzung verhindert hat.

Kombinierte Verfahren. Die bisher genannten Verfahren konnen auch unter- einander nahezu beliebig kombiniert werden mit dem Ziel, eine Win-win-Situation zu generieren.

Ein Beispiel fur eine derartige Kombination ist der Dampfaufschluss mit ver­dunnter Saure. Hier konnen zwei (energieintensive) Varianten unterschieden werden, die aber beide noch nicht Stand der Technik sind.

• Beim Steam-Explosion-Prozess werden physikalische und chemische Verfahren kombiniert. Dazu wird die Lignocellulose unter Druck mit gesattigtem Wasser — dampf beaufschlagt und anschliefiend unter schlagartiger Druckentspannung aus dem Reaktor gefordert. Das Wasser, welches zuvor in die Biomassestruktur eingedrungen ist, wird dadurch stark beschleunigt und zerfasert somit die Biomasse. Dabei werden die Hemicellulosen durch eine Autohydrolyse heraus — gelost und das Lignin koaguliert. Oftmals wird eine Saurezugabe in den Steam — Explosion-Prozess integriert, die diesen Prozess unterstutzt.

• Beim Steam-Refining-Prozess erfolgt die Zerfaserung der Lignocellulose durch einen Refiner (eine Art Mahltrommel) anstelle der schlagartigen Druck­entspannung. Auch hier wird das Material mit verdunnter Saure vorbehandelt. Dabei findet durch die chemische Behandlung bereits eine Zerkleinerung statt und deshalb wird fur eine weitere Zerkleinerung nur noch relativ wenig Energie benotigt.