Forderungen an und Randbedingungen fur die Verfahrenstechnik

Um eine hocheffiziente Biogasproduktion zu gewahrleisten, muss die Verfahrens­technik den Anforderungen des biochemischen Abbaus — und damit der Prozess — biologie — optimal gerecht werden. Daraus resultiert eine Vielzahl von Forderungen und Randbedingungen, die moglichst eingehalten werden sollten. Diese werden

nachfolgend ausgehend von den in den vorherigen Abschnitten dargestellten Grund-

lagen des anaeroben Abbaus diskutiert.

• Ein biologisch katalysierter Abbau organischer Masse ist a priori deutlich lang — samer im Vergleich zu einem thermisch induzierten Abbau (z. B. Verbrennung, Vergasung). Damit bestimmte geforderte bzw. geplante Abbauleistungen erreicht werden konnen, resultieren daraus entsprechend lange Verweilzeiten des Sub — strats im Fermenter. Eine Konsequenz daraus ist ein, sowohl aus verfahrens — technischer als auch aus okonomischer Sicht, entsprechend grofi dimensionierter Fermenter (d. h. ein entsprechend grofies Volumen, in dem der biologische Abbau realisiert wird).

• Der anaerobe Abbau wird durch biologisch katalysierte Prozesse realisiert. Damit diese moglichst schnell und mit einem maximalen Umsatz ablaufen konnen, mussen die Biokatalysatoren immer ausreichend mit Inputmaterial bzw. „Futter“ versorgt werden. Je nach Bakteriengruppe kann dies Frischsubstrat oder bereits teilabgebautes Substrat (d. h. das Endprodukt des jeweils vorherigen Abbau — schritts) sein. Gleichzeitig muss die spezifische Oberflache dieses Inputmaterials so grofi wie moglich sein, damit die Bakterien einfach an die abzubauende bzw. weiter abzubauende organische Masse herankommen. Daraus resultieren aus verfahrenstechnischer Sicht mehrere Forderungen.

— Zum ersten muss das Frischsubstrat ausreichend zerkleinert werden, damit es fur die Bakterien moglichst gut zuganglich ist. Deshalb steigt mit einem hoheren Grad der Zerkleinerung folglich i. Allg. auch die Geschwindigkeit des biologischen Abbaus. Dies gilt aber nicht zwangslaufig fur die Gas — ausbeute.

— Zum zweiten muss eine gute Durchmischung der Substrate mit der Bakterienbiomasse sichergestellt werden, damit diese kontinuierlich und aus­reichend mit Nahrung versorgt wird.

— Zum dritten muss, damit dieser Prozess — aus okonomischen Grunden — kon­tinuierlich ablaufen kann, immer eine bestimmte Menge an Frischsubstrat zugefuhrt und gleichzeitig eine bestimmte Menge an ausgefaultem Substrat abgezogen werden.

• Die anaerobe Vergarung wird in einzelnen, aufeinander aufbauenden Abbau — schritten durch eine Vielzahl unterschiedlicher Bakteriengruppen realisiert, welche jeweils einen bestimmten Abbauschritt katalysieren. Jeder dieser einzelnen Schritte kann dann mit maximaler Geschwindigkeit und minimalen Verlusten ablaufen, wenn die Biokonversion unter bestimmten, jeweils optimalen, Bedingungen realisiert wird (z. B. pH-Wert, Temperaturniveau, Kon — zentration). Diese definierten Bedingungen, unter denen die Bakterien optimal tatig werden konnen und maximale Leistung zeigen, sind jedoch nicht zwingend fur jeden Abbauschritt gleich. So zeigen die am Abbau beteiligten Mikroorga — nismen ihre Optima unter anderem in verschiedenen pH-Bereichen; z. B. liegt der ideale pH-Wert fur die Hydrolyse unter 4 und der optimale pH-Wert fur die Acetogenese und Methanogenese zwischen 6,8 und 7,5.

• Beim anaeroben Abbau wird organische Masse mit einer bestimmten che — misch gebundenen Energie in das energiereiche Abbauprodukt Methan (CH4) und das nicht mehr energetisch nutzbare Gas Kohlenstoffdioxid (CO2) abge — baut. Wird die Bilanz der chemisch in den Ausgangsmaterialien und den End — produkten gebundenen Energie eines derartigen biologisch induzierten Abbau — prozesses erstellt, zeigt sich, dass damit nur sehr wenig Energie verfugbar ist, welche die Bakterien fur ihr (Uber-)Leben aus diesem Prozess nutzbar machen konnen. Deshalb reicht beispielsweise die beim anaeroben Abbau frei werdende Warme i. Allg. nicht aus, das Substrat im Fermenter zu beheizen. Im Umkehr — schluss muss damit das Biogassubstrat beheizt und auf einem Temperaturniveau stabilisiert werden, auf dem die jeweils eingesetzten Bakterien einen substrat — spezifisch optimalen Abbau zeigen.

• Bakterien vermehren sich durch Zellteilung, deren Geschwindigkeit sich unter anderem nach Bakterientyp und Umweltbedingungen unterscheidet. Soll aus verfahrenstechnischer Sicht die Abbauleistung eines Fermenters naherungs — weise konstant gehalten werden, darf nicht mehr Bakterienbiomasse den Reaktor verlassen (z. B. zusammen mit dem abgepumpten ausgefaulten Substrat) als nachwachst. Folglich muss die mittlere Verweilzeit des Substrats im Fermenter so angepasst werden, dass die aktive Bakterienbiomasse zumindest konstant gehalten und nicht reduziert wird. Die Durchflussrate muss also geringer als die Verdopplungsrate der Bakterien sein. Alternativ dazu konnen auch Einrichtungen in den Fermenter eingebaut werden, welche die Mikroorganismen, die den anaer­oben Abbau realisieren (und damit die aktive Biomasse), im Fermenter zuruck halten.

• Die Bakterienbiomasse, die fur den Abbau zustandig ist, kann sich an ver — andernde Umweltbedingungen und eine sich andernde Nahrungszusammenset — zung anpassen. Dafur benotigt sie aber eine bestimmte Anpassungszeit. Deshalb kann bei einer sich nur langsam andernden Frischsubstratzusammensetzung ein hohes Abbauniveau beibehalten werden, wahrend dies bei einer sprunghaften Anderung der Substratzusammensetzung nicht moglich ist. Aus Sicht eines ver — fahrenstechnisch stabilen Betriebs einer Biogasanlage ist deshalb eine homogene Substratzusammensetzung mit nur langsamen Veranderungen des Inputstroms anzustreben.

• Bakterien sind Lebewesen, die — um ihre maximale Leistungsfahigkeit zu erreichen — auch eine moglichst ausgewogene Versorgung mit Nahrstoffen benotigen. Beispielsweise wird der Biogasprozess durch das Verhaltnis der Makronahrstoffe C:N:P:S beeinflusst. Unter bestimmten Bedingungen ist fur die Hydrolyse ein C:N:P:S-Verhaltnis von 500:15:5:3 und fur die Methangarung von 600:15:5:3 optimal. Eine Besonderheit stellt der Bedarf an den Spurenelementen Nickel (Ni), Kobalt (Co), Molybdan (Mo) und Selen (Se) dar. Diese sind fur den Zellaufbau unentbehrlich und fuhren bei einem Mangel zum Absterben der Bakterien. Aus verfahrenstechnischer Sicht muss deswegen eine ausgewogene Nahrstoffversorgung ggf. uber entsprechende Nahrstoff — bzw. Spurenelement — zusatze sichergestellt werden.

Mit dem Substrat konnen auch das Bakterienwachstum hemmende Substanzen

in den Reaktor eingetragen werden (z. B. Desinfektionsmittel aus der Stallbehand-

lung, Stickstoffverbindungen mit bestimmten Exkrementen). Dies behindert die

Reproduktion der fur den Abbau verantwortlichen Bakterien. Aus Sicht der Ver — fahrenstechnik sollte daher eine Kontamination der Substrate mit Stoffen, die das Bakterienwachstum hemmen konnen, vermieden werden. Sind derartige Stoffe zwingend und nahezu unbeeinflussbar im Substrat vorhanden, mussen sie mit ent- sprechenden Verfahren abgetrennt werden.

Durch entsprechende verfahrenstechnische Losungen ist sicher zu stellen, dass alle aufgezeigten Forderungen jederzeit sicher erfullt werden.