EinflussgroBen auf den Prozess

Von grofiter Bedeutung fur die Stabilitat des biologischen Prozesses und damit fur die Sicherstellung des Biogasertrages und letztlich auch die Wirtschaftlichkeit der Investition ist die Berucksichtigung und Kontrolle wesentlicher Einflussgrofien auf den Prozess der Biogasproduktion. Tabelle 4.4 fasst die fur den biologischen Pro­zess relevanten Einflussgrofien zusammen und gibt einen kurzen Uberblick uber kritische Bereiche fur Prozessparameter.

4.2.1 Massenbilanzierung des Prozesses

Der in Abschn. 4.2.1 beschriebene Prozess fuhrt durch den Abbau der Biomasse zu einer starken Veranderung des Stoffstromes durch eine Biogasanlage. Am Beispiel

Industrielle Neben — und Abfallprodukte

Langkettige Polymere

Fette, EiweiGe, Kohlenhydrate

Hydrolytische ^ Bakterien

1.Phase Hydrolyse

Kurzkettige Monomere u. Dimere

Fettsauren, Amnosauren, Zucker

Acidogene Bakterien

2.Phase Versauerung

Kurzkettige organische Sauren (z. B. Propionsaure) Alkohole

Acetogene Bakterien

3. Phase Essigsaurebildung

Essigsaure (CH, COOH), Kohlendioxid (CO,). Wasserstoff (H,)

Methanogene"^^7 ‘ Bakterien

Methan (CH4), Kohlendioxid (CO,), Schwefelwasserstoff (H, S), u. a.

4.Phase Methanbildung

Biogas

Abb. 4.5 Vereinfachter schematisierter Ablauf der anaeroben Vergarung

von Grassilage wird dies nachfolgend veranschaulicht, um ein Verstandnis fur den komplexen biochemischen Prozess zu wecken.

Grundsatzlich besteht jedes Substrat aus Wasser, anaerob abbaubarer organischer Masse und nicht abbaubarer vorwiegend anorganischer Masse. Die organische Masse wird anaerob unter Aufnahme von Wasser und Abgabe von Kohlenstoff — dioxid teilweise zu Methan umgewandelt. Der Grad des Abbaus der organischen Substanz hangt vom Substrat und den Prozessbedingungen ab, wobei fur ubliche Grassilage in landwirtschaftlichen Biogasanlagen von einem Abbaugrad der organischen Trockensubstanz von rund 80 % ausgegangen wird. Dies entspricht einem Biogasertrag von 0,571 Nm3/kgoTS bei einem Methangehalt von rund 55 %. Je nach Prozesstemperatur wird ein Teil des Wassers verdampfen und liegt gas — formig als Wasserdampf vor. Abbildung 4.6 gibt schematisch die Massebilanz des beschriebenen anaeroben Abbaus wider. Die verwendeten Zahlenwerte werden in Tab. 4.5 konkretisiert.

Tab. 4.4 Wesentliche EinflussgroBen auf den biologischen Prozess der Biogasproduktion. (Verandert nach VDI 4631 2011)

Parameter

Kritische Bereiche

Substrat-

beschaffenheit

Der Mix aus Substraten muss ein ausgewogenes Verhaltnis von Makro — und Mikronahrstoffen im Fermenter gewahrleisten, da sonst ohne Zufuhr von Zusatzstoffen (z. B. Spurenelementen) der Substratabbau verzogert oder gehemmt werden kann.

T rocken — massegehalt

Der Trockenmassegehalt im Fermenter wirkt sich auf die Ruhr — und Pumpfahigkeit des Gargemischs aus. Wenn diese beeintrachtigt ist, konnen die Ausgasung und die Zuganglichkeit des Substrates fur den biologischen Abbau eingeschrankt sein.

Ammonium-

Stickstoffgehalt

Hohe Ammoniumkonzentrationen in der Garflussigkeit konnen zu Prozesshemmungen fuhren. Die Wirkung hangt neben der Konzentration vom pH-Wert und der Prozesstemperatur ab. Bei pH 7,5 und Temperaturen unter 42 °C muss ab etwa 2 000 bis 4 000 mg NH4-N mit einer Aktivitats- minderung gerechnet werden. Mit steigendem pH-Wert und steigender Temperatur nimmt die Aktivitatsminderung zu.

pH-Wert

Der pH-Wert in der Garflussigkeit kann als Indikator fur den Prozesszu — stand genutzt werden. Er beeinflusst die hemmende Wirkung von Ammo­nium, Schwefelwasserstoff und fluchtigen organischen Sauren auf die Aktivitat der Mikroorganismen. Der pH-Wert sollte ublicherweise zwischen 7 und 8 liegen (einphasige Systeme).

Fluchtige Hohe Saurekonzentrationen in der Garflussigkeit konnen von einem

organische Sauren Ungleichgewicht von Hydrolyse und Methanproduktion zeugen. Die zulas — sige Konzentration hangt von der Kettenlange, der Saure, vom pH-Wert

im Gargemisch, dem Vergarungsverfahren (ein-/zweiphasig) und einer eventuellen Adaption der Biozonose ab. Gesamtsauregehalten von uber 3 000 mg/l bei einem pH-Wert von 7,0 konnen bereits hemmend wirken. Mit sinkendem pH-Wert nimmt die Hemmwirkung zu. GroBen Einfluss zeigen hohe Gehalte an Propionsaure. Aus einzelnen Biogasanlagen ist aber auch ein konstanter Betrieb bei Saurekonzentrationen deutlich uber 3 000 mg/l bekannt.

FOS/TAC

Der FOS/TAC-Wert wird auf der Basis empirisch ermittelter Parameter aus dem Ergebnis einer Zweipunkttitration berechnet. Der FOS-Wert steht fur die fluchtigen organischen Sauren. Der TAC wird auch als totales anorga — nisches Carbonat () bezeichnet.

Fur einen stabilen Betrieb gilt ein Grenzwert von < 0,3 als sicher. Bei Anlagen zur ausschlieBlichen Vergarung nachwachsender Rohstoffe wird bei FOS/TAC-Werten zwischen 0,4 und 0,6 in der Regel noch ein stabiler Betrieb erreicht. Er kann einfach auf der Anlage ermittelt werden.

Prozesstemperatur Ublicherweise werden Biogasanlagen bei Temperaturen zwischen 35 und 57 °C betrieben. Uber 60 °C liegen keine Erfahrungen in der Praxis vor. Es

sind insbesondere schnelle Temperaturanderungen zu vermeiden.

Gaszusammen-

setzung

Biogas besteht aus Methan, Kohlendioxid und weiteren Begleitgasen wie Schwefelwasserstoff und Wasserstoff. Begleitgase (z. B. H2S) konnen im Fermenter zu Korrosion fuhren und den Garprozess hemmen. Die zulas — sigen Konzentrationen hangen vom Fermenterwerkstoff ab. H2S-Gehalte uber 500 ppm sind bei BHKWs in der Regel zu vermeiden. Die Hemmung des Garprozesses steigt mit sinkendem pH-Wert.

Tab. 4.4 (Fortsetzung) Wesentliche EinflussgroBen auf den biologischen Prozess der Biogas- produktion. (Verandert nach VDI 4631 2011)

Parameter

Kritische Bereiche

Hydraulische

Verweilzeit

Bei voll durchmischten Fermentern konnen Verweilzeiten unter 15 Tagen zum Auswaschen von Bakterien-Archaeen-Konsortien fuhren da die Generationszeiten (d. h. Vermehrungsdauern) z. T. langer sind. In der Regel nimmt die erforderliche Verweilzeit fur die Umsetzung des Substrates zu Biogas mit steigendem Rohfaseranteil des Substrats zu. Dem kann aber durch eine Vorbehandlung des Substrats ggf. entgegengewirkt werden. Durch den Einsatz von Rezirkulat konnen sich Anderungen der hydraulis — chen Verweilzeit ergeben.

Raumbelastung

Sie ist von der dem Fermentervolumen zugefuhrten Substratmenge und deren Konzentration an organischer Trockensubstanz abhangig. Durch Adaption der Mikroorganismenkonsortien kann die Raumbelastung beim Anfahren einer Biogasanlage langsam bis zu einem Optimalwert gesteigert werden. Bei Uberschreitung eines systemspezifischen Maximalwerts gerat das Mikroorganismenkonsortium in ein Ungleichgewicht und die Methan — produktion kann zum Erliegen kommen.

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Abb. 4.6 Beispielhafte Massenbilanz der Biogasgewinnung aus Rindergulle und Grassilage