Methode, Ergebnisse und Fazit

Die Daten fur die sozialen Kriterien ruhren z. T. aus dem Aktionsforschungsprojekt „Das Bioenergiedorf Juhnde“ (s. Eigner-Thiel 2005), z. T. aus einer grofiangelegten Studie zur Akzeptanz unterschiedlicher Biomassepfade aus dem Jahr 2010 (vgl. Wuste & Schmuck 2012). Die ermittelten Werte der Kriterienauspragungen fur die drei Alternativen „Bioenergiedorf“, „Biogas-Grofianlage“ und „Biogas — Einzelanlage“ zeigt Tab. 3.6.[220] In der rechten Spalte sind die Gewichtungen der jeweiligen Kriterien aufgefuhrt, die sich auf insgesamt 100 % addieren lassen. Eine unmittelbare Ermittlung einer dominierten oder dominierenden Alternative ist nicht unmittelbar moglich. Eine Alternative heifit dominiert, wenn eine andere Alternative sie bezuglich eines oder mehrerer Kriterienauspragungen ubertrifft und bezuglich der anderen Attribute gleichwertig ist (Zimmermann & Gutsche 1991). Der Uber — blick wird vor allem deshalb erschwert, weil manche Kriterien zu maximieren und andere zu minimieren sind.

Zur Bestimmung von Kompromisslosungen fur derartige Entscheidungspro — bleme, in denen mehrere und z. T. gegenlaufige Ziele angestrebt werden, wird die multikriterielle Optimierung verwendet. Mit Hilfe von multiattributiven Ent — scheidungsmodellen (Multi Attribute Decision Making — MADM) konnen ver — schiedene diskrete Alternativen oder Handlungsoptionen im Hinblick auf mehrere Kriterien bewertet werden. Dabei werden mathematische Methoden angewendet, um Kriterienbundel zu einer moglichst in reellen Zahlen ausgedruckten Ordnung (Rangfolge) zu reduzieren (Zimmermann & Gutsche 1991; Geldermann 2006).

Um sich zunachst einen Uberblick uber mogliche Zielkonflikte in einem kon — kreten Entscheidungsproblem zu verschaffen, genugt als einfachste Methode der Mehrzielentscheidungsunterstutzung das „Simple Additive Ranking“ (SAR), bei der Rangfolgen der Alternativen fur jedes Kriterium gebildet werden (Geldermann & Schobel 2011). Allerdings ist diese Methode anfallig fur Fehlinterpretationen sowie unerwunschte Rangtausche, wenn irrelevante Alternativen aus der weiteren Bewertung ausgeschlossen werden.

Daher wird im Folgenden das Ergebnis der Anwendung des Outranking-Ver — fahrens PROMETHEE kurz vorgestellt. Outranking-Verfahren beruhen auf paar — weisen Vergleichen der Alternativen hinsichtlich jedes Kriteriums mit Hilfe einer Praferenzfunktion zur Quantifizierung der jeweiligen „Vorziehenswurdigkeit“ (Brans et al. 1986; Geldermann 2006). Ein erster Blick auf die Darstellung der relativen Starken und der relativen Schwachen der betrachteten Alternativen hinsichtlich der berucksichtigten Kriterien (vgl. Abb. 3.6) zeigt, dass das Bioener — giedorfkonzept mit Abstand am besten abschneidet. Um zu erkennen, welche

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Abb. 3.6 Relative Starken und Schwachen verschiedener Biogas-Konzepte205

Kriterien ausschlaggebend fur eine bessere oder schlechtere Bewertung einer Alternative sind, ist ein Spinnweb-Diagramm gut geeignet. Abbildung 3.7 illustriert, dass besondere Starken des Bioenergiedorfkonzepts im Bereich der Partizipation und im Bereich der psychologischen Konsequenzen liegen. Einzig bezuglich des Kriteriums „Geruchswahrnehmung“ schneidet die Grofianlage noch besser ab, was plausibel ist: Eine Grofianlage steht nicht direkt im Dorf, die vergorene Gulle wird auf die Acker von uber 40 Landwirten verteilt, so dass sich auch die Geruche uber ein weiteres Gebiet verteilen.

Fast gleich, aber beide deutlich schlechter als das Bioenergiedorfkonzept schneiden die Biogaseinzelanlage und die BiogasgroBanlage mit Einspeisung ab.

Fur beide Konzepte uberwiegen die relativen Schwachen, so dass auch der Gesamt- wert (Phi-netto) sich negativ darstellt.

Verursacht ist dies bei der Einzelanlage vor allem durch die geringe Anzahl von Arbeitsplatzen, die zusatzlich geschaffen werden, aufierdem durch die geringen Moglichkeiten fur die Bevolkerung, sich an den Planungen zu beteiligen und die als relativ hoch eingeschatzten Werte fur den Betriebslarm (s. Spinnweb-Diagramm, Abb. 3.7).

Das Spinnweb-Diagramm zeigt, dass die Schwachen der Grofianlage vor allem in fehlenden Moglichkeiten zur Erhohung der Selbstwirksamkeitsuberzeugung, fehlenden Gelegenheiten zur Erhohung des Wir-Gefuhls und fehlendem Gefuhl von [221]

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image056Phi Net Flows

Abb. 3.7 Spinnweb-Diagramm zum Vergleich verschiedener Biomassepfade[222]

Autarkie bezuglich Rohstoffen und Energieversorgungsunternehmen liegen. Auch die wenigen Moglichkeiten zur Partizipation wirken sich hier sehr negativ aus.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist jedoch methodisch festzuhalten, dass eine Spinnweb-Darstellung einen irrefuhrenden visuellen Eindruck vermitteln kann, weil durch die gleichen Winkel zwischen alien Kriterienstrahlen eine Gleichgewichtung aller Kriterien suggeriert wird und die Flache unter der Alternativenlinie moglicher — weise als eine Art Praferenzwert interpretiert wird. Im Hinblick auf die exem — plarische Fallstudie ist es auBerdem durchaus als kritisch zu werten, dass nur eine Dimension des Entscheidungsproblems, namlich die der sozialen Kriterien der Nachhaltigkeit, betrachtet wird.

Eineganzheitliche Einschatzung der Eignung bestimmter Biogaskonzepte fur eine bestimmte Region ist nur moglich, wenn letztlich auch die okologischen, die okonomischen und die technischen Kriterien mit einbezogen werden. Weiter mussen beispielsweise auch die geographischen Gegebenheiten wie Bodenbeschaffenheit, klimatische Bedingungen oder aber Moglichkeiten der wirtschaftlichen Nutzung

der Abwarme berucksichtigt werden, wie es im Forschungsprojekt „Biomasse im Spannungsfeld“ angestrebt wird. Ein allgemeingultiger Vergleich der drei betrachteten Alternativen (Bioenergiedorf, Biogas-Einzelanlage, Biogas-Grofi — anlage) ist schwerlich moglich. Da das Forschungsvorhaben „Biomasse im Spannungsfeld“ auf das Forschungsprojekt „Bioenergiedorf Juhnde“ aufbaut, liegen fur diese Alternative detaillierte Daten vor bzw. werden unter anderem in aktuellen landwirtschaftlichen Anbauversuchen erforscht. Hingegen sind aus betrieblichen Geheimhaltungsinteressen Daten fur Biogaseinzelanlagen sowie ins — besondere fur Biogasgrofianlagen schwer mit der gleichen Genauigkeit zu ermitteln. Eine weitere Schwierigkeit besteht in der Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Grofiendimensionen. So haben Biogasgrofianlagen einen weit grofieren Biomasse — Einzugsbereich. Um eine Vergleichbarkeit zu ermoglichen, wird das Konzept der „funktionalen Einheit“, wie es aus der Okobilanzierung bekannt ist, genutzt. Samtliche Kriterienauspragungen mussten dann nach Moglichkeit auf die Agrar — flache normiert werden. Dies ist insbesondere fur die Bewertung der okologischen und okonomischen Nachhaltigkeit wichtig, aber weniger fur die Erprobung der sozialen Kriterien, deren Bewertung deshalb hier schon durchgefuhrt werden konnte.

Trotz dieser einschrankenden Anmerkungen stellt die bewusste Fokussierung auf die sozialen Kriterien bei der Bewertung von Biomassenutzungskonzepten in diesem Beitrag einen Kontrapunkt zu vielen anderen Studien dar, die genau diese Dimension der Nachhaltigkeit ausklammern.