Okologische, okonomische und technische Kriterien

Bevor ausfuhrlich auf die sozialen Kriterien eingegangen wird, werden der Voll — standigkeit halber auch die okologischen, die okonomischen und die technischen Kriterien kompakt vorgestellt, die im Projektteam fur die Bewertung von Bioener — giedorfkonzepten erarbeitet wurden (vgl. Eigner-Thiel et al. 2012). Dabei handelt es sich um eine vorlaufige Sammlung der entscheidungsrelevanten Kriterien, die jedoch erst beim Vorliegen aller aussagekraftigen Kennzahlen einer abschlieBenden Validierung unterzogen werden konnen.

Okologische Kriterien. Als Ausgangspunkt fur die Beurteilung der oko­logischen Vorteilhaftigkeit von Biogasanlagen konnen Okobilanzen (englisch Life Cycle Assessment, LCA) herangezogen werden. Ziel einer Okobilanz ist es, die

Umweltbelastungen, die durch Produkte oder Prozesse auf deren „Lebensweg“ von der Produktion bis zur Entsorgung entstehen, darzustellen und die damit ver — bundenen potenziellen Auswirkungen solcher Umwelteinflusse auf die Umwelt — medien Luft, Boden und Wasser zu analysieren. Die okologischen Kriterien wurden unter Beteiligung von Geowissenschaftlern, Biologen, Nutzpflanzenkundlern und Agrarwissenschaftlern zusammengestellt und diskutiert. Vorlaufiges Ergebnis ist eine Liste aus 20 Kriterien auf der untersten Ebene (Attributen), die sich funf Oberkategorien zuordnen lassen. Die identifizierten Kriterien werden im Folgenden kurz genannt. Ferner wird angegeben, ob die Zielrichtung eine Minimierung (=> MIN) wie bei Emissionen oder eine Maximierung (=> wie beim Bodenbe- deckungsgrad) ist.

1. Luft und Klima: Zur Oberkategorie „Schutz des Klimas und der Luft“ zahlen die Attribute „Treibhauspotenzial“ als Indikator des durch die Bioenergie potenziell verursachten Klimawandels (CO2-Aquivalente => MIN), „toxische Substanzen“ (Feinstaubmenge => MIN, „Menge organischer Schadstoffe“ => MIN, Menge anorganischer Schadstoffe => MIN) und die „Versauerung“ (Versauerungs — potenzial => MIN).

2. Wasser: Den Wasserschutz beschreiben zwei Indikatoren: Zum einen die durch den Anbau von Energiepflanzen direkt oder indirekt hervorgerufene „aquatische Eutrophierung“ (Menge applizierten Stickstoffdungers => MIN) und zum anderen der „Eintrag toxischer Substanzen“ (Menge applizierter Pestizide => MIN).

3. Boden: Der Boden ist zum einen durch „Erosion“ gefahrdet (Bodenbear — beitungsklasse => MIN, jahrlicher Bodenbedeckungsgrad => MAX), zum anderen auch durch „Eutrophierung“ (terrestrisches Eutrophierungspotenzial => MIN) und „toxische Substanzen“ (Schadstoffanreicherung => MIN, Schad — stoffmobilisierung => MIN).

4. Ressourcenschutz: Wichtig fur den Erhalt von Ressourcen ist der zu minimierende „Energieverbrauch“ (kumulierter Energieverbrauch => MIN, benotigte Roh — olaquivalente => MIN), der „Verbrauch von Mineralien“ fur Herstellung von Dunger (Phosphaterzmenge => MIN), der „Flachenverbrauch“ (=> MIN) und der „Wasserbedarf“ fur die Bewasserung der Energiepflanzen (=> MIN).

5. Schutz der Biodiversitat: Zum Erhalt der Artenvielfalt spielt die „Kultur — artenanzahl“ eine Rolle (Menge unterschiedlicher Sorten => MAX), dazu die „Verwendung synthetischer Pestizide“ (Pestizidmenge => MIN) und die „Ver — wendung synthetischer Dungemittel“ (Dungemittelmenge => MIN). Okonomische Kriterien. Die okonomischen Kriterien wurden gemeinsam

mit Betriebswirtschaftlern, Wirtschaftsingenieuren und Agrarwissenschaftlern zusammengestellt. Vorlaufiges Ergebnis ist eine Liste aus 13 Kriterien, die sich wiederum funf Oberkategorien zuordnen lassen. Bei den okonomischen Kriterien wird die Gegenlaufigkeit der Ziele besonders deutlich: Kriterien, die aus Sicht der einen Interessengruppe minimiert werden sollten, sind aus Sicht einer anderen Interessengruppe zu maximieren. Ein Beispiel sind die Rohstoffpreise fur die Energiepflanzen: Aus Sicht der Betreibergesellschaft und fur die Warmekunden sollten diese moglichst niedrig sein; aus Sicht der Landwirte moglichst hoch. Ein

interessanter Interessenskonflikt kann sich in Bioenergiedorfern ergeben, wenn Landwirte im Extremfall drei Rollen haben: als Erzeuger von Energiepflanzen mit einem Interesse an hohen Erlosen, als Warmekunden mit einem Interesse an moglichst gunstiger Warmeversorgung, sowie aus Sicht der Genossen der Betrei- bergesellschaft mit einem Interesse an gunstigen Bezugspreisen fur die Biomasse.

Im Folgenden sind die okonomischen Kriterien nach Interessengruppe auf — gefuhrt. Diese Aufstellung greift weiter als die meist ubliche Berucksichtigung von okonomischen Kriterien von Umweltschutzkonzepten, die im Wesentlichen zwischen Investitionen und Betriebskosten unterscheiden.

1. Betreibergesellschaft: Aus Sicht der Betreibergesellschaft spielt der Kapitalwert, also samtliche abgezinsten Aus — und Einzahlungen einer Investitionsmafinahme, eine wichtige Rolle (=> MAX), aber auch die Lange der Liefervertrage mit den Landwirten (=> MAX).

2. Warmekunden: Die Warmekunden sind an einer moglichst gunstigen War­meversorgung interessiert (Warmepreispaket => MIN, Mindesteinlage in die Betreibergesellschaft => MIN, Anschluss — und Umstellungskosten => MIN).

3. Arbeitnehmer: Die Moglichkeit einer Gewinnbeteiligung (=> ja/MAX) und die Moglichkeit, dass zusatzliche Honorarkrafte auf den Anlagen arbeiten konnen (=> ja/MAX), sind hier anzustreben. Aspekte wie „Hohe des Gehaltes“ oder „Urlaubstage“ differenzieren in Deutschland nicht oder kaum zwischen ver — schiedenen Anlagentypen und werden daher im Forschungsprojekt „Biomasse im Spannungsfeld“ nicht weiter berucksichtigt.

4. Landwirte: Die Rohstoffpreise sollten aus Sicht der Landwirte moglichst hoch sein (=> MAX), ebenso die Vertragslange (=> MAX). Da der Anbau von Ener­giepflanzen durch den Flachenverbrauch zu einem Anstieg der Pachtpreise fuhren kann, sollte die Gesamtflache fur den Anbau von Energiepflanzen aus der Sicht eines einzelnen Landwirts moglichst gering bleiben (Anteil Flache Bio — energie => MIN).

5. Region: Eine wichtige Rolle fur die Region spielen regionale Investitionen durch den Bau von Bioenergieanlagen (=> MAX). Dazu zahlen Auftrage fur Ingenieure sowie das ortliche Handwerk und das Baugewerbe. Hinzu kommen Einnahmen fur die Region durch Wartungs — und Reparaturarbeiten, Kosten fur Notar und Steuerberater, Versicherungen sowie Gelder, die an die Landwirte fliefien (=> MAX). Aufierdem generiert der Betrieb der Bioenergieanlagen Steuereinnahmen (=> MAX).

Technische Kriterien. Die technischen Kriterien wurden gemeinsam mit Naturwissenschaftlern sowie in Abstimmung mit technischen Experten formuliert. Das vorlaufige Ergebnis benennt elf Kriterien zu dieser Liste, die sich wiederum in funf Oberkategorien zahlen lassen.

1. Anlageneffizienz. Ein Aspekt der Effizienz ist der Wirkungsgrad der Anlagen (=> MAX). Dazu kommen die Standzeiten der Anlage, die anfallen, wenn Reparaturarbeiten notig sind (=> MIN) und die Anlagenhaltbarkeit (=> MAX). Wenn die (Abfall-)Warme genutzt wird (=> MAX), erhoht dies ebenfalls die Effizienz und wenn die Anlage aus mehreren Modulen aufgebaut ist, erhoht dies auch die Effizienz, weil bei einem Ausfall die Reparaturarbeiten schneller und kostengunstiger zu erledigen sind.

2. Arbeitssicherheit. Je hoher die Arbeitssicherheit in der Bioenergieanlage (=> MAX), desto besser.

3. Umweltfreundlichkeit der Materialien. Je hoher der Prozentsatz an Materialien, die recycelbar fahig sind (=> MAX), desto besser im Sinne einer Nachhaltigen Entwicklung.

4. Transportaktivitaten. Biomasse muss vom Feld zu den Anlagen transportiert werden und der Garrest wieder zuruck auf den Acker. Hierzu werden meist Traktoren mit Anhanger oder spezielle Lastwagen eingesetzt. Relevant ist hier die Haufigkeit, mit der diese pro Woche fahren (=> MIN), da mit dem Transport Larm und Energieverbrauch verbunden sind, der Zeitpunkt der Fahrten (tagsuber wird besser beurteilt als nachts) sowie die Art der Transportmittel: Je grofier dieses ist, desto leichter werden Zufahrtswege beschadigt (Grofie => MIN).

5. Verwaltungsaufwand. Je nach Anlagengrofie unterscheiden sich die Biomassepfade in ihrem Verwaltungsaufwand in der Genehmigungsphase. Je kurzer diese Phase rein zeitlich gesehen dauert (=> MIN), desto gunstiger ist die Wirkung auf die Planung der Anlage.

Ausfuhrlicher erlautert sind die okologischen, okonomischen und technischen Kriterien in Eigner-Thiel et al. (in Vorbereitung).