Kriterienentwicklung zur Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedlicher Biomassepfade

3.4.4.1 Grundsatzliche Aspekte der Kriterienentwicklung

Um die Nachhaltigkeit unterschiedlicher Biomassenutzungspfade miteinander ver — gleichen zu konnen, mussen Kriterien entwickelt werden, die sich speziell auf die Biomassenutzung beziehen.

Die Kriteriensammlung fur das Forschungsprojekt „Biomasse im Spannungsfeld“ wurde einerseits top down aus der Sichtung bereits vorhandener Indikatorensatze durchgefuhrt. Zum anderen wurden Kriterien erganzend bottom up in dem Sinne gesammelt, indem von den zu vergleichenden Biomassealternativen ausgegangen und gepruft wurde, anhand welcher Kriterien diese uberhaupt sinnvoll unterscheid — bar waren und welche Kriterien aus der Sicht verschiedener Experten hier uber — haupt eine Rolle spielen sollten. Quellen fur die Top-down-Zusammenstellung der im Folgenden darzustellenden Kriterien waren Hoffmann (2007), Breitschuh et al.

(2008), WBGU (2008), UNCSD (2001) und Gamba (2008), die z. T. modifiziert, an die Bedingungen der Biomassenutzung angepasst und aus eigenen Uberlegungen heraus erganzt wurden. Die letztlich gewahlten Kriterien mussten folgende Bedingungen erfullen:

1. Sie durften sich nicht uberlappen, d. h. Redundanzen sollten vermieden werden;

2. sie mussten zwischen verschiedenen Biomassepfaden differenzieren, d. h., ein Kriterium wie „Vermeidung von Kinderarbeit“ war nicht relevant, da in Deutschland grundsatzlich keine Kinderarbeit existiert und zwar bei keiner der betrachteten Biomassealternativen;

3. die Kriterien durfen bei der MCDA grundsatzlich auch qualitative Aspekte beleuchten, d. h. die Daten konnen auch unterschiedliche MaBeinheiten haben, solange diese zumindest auf einem ordinalen Skalenniveau abbildbar sind: Ein okologisches Kriterium kann einen Wert wie „54,0 g CO2-Aquivalente pro Jahr“ annehmen, wahrend ein soziales Kriterium z. B. einen Mittelwert von 3,6 Akzeptanzpunkte auf einer Skala von 0 bis 5 erreichen kann. Beide Werte konnen mit Hilfe von MCDA-Methoden miteinander vergleichbar gemacht werden.

Es gibt einige wenige Ansatze, mit denen Nachhaltigkeitskriterien speziell fur die Biomassenutzung aufgestellt worden sind. Dazu gehoren z. B. van Dam et al. (2008), die verschiedene Biomassezertifizierungssysteme gegenubergestellt, oder Lewandowski und Faaji (2004), die im Rahmen des sogenannten „fair biotrade pro­ject11 spezielle Kriterien fur die Niederlande aufgestellt haben. Fritsche et al. (2010) haben einen Nachhaltigkeitsstandard zur Zertifizierung von Biomasse fur den internationalen Handel aufgestellt. Jedoch gibt es keine Bewertungssysteme fur den Biomassebereich, die speziell fur bestimmte deutsche Regionen aufgestellt wurden und es gibt zudem kaum einen Ansatz, in dem konkrete soziale Aspekte beruck — sichtigt werden, die auch zwischen den lokal in Deutschland nutzbaren Konzepten unterscheiden. So wird fur die soziale Dimension maximal davon gesprochen, „Arbeitsbedingungen sollten human sein“ oder „Menschenrechte mussen einge — halten werden“ — was in Deutschland grundsatzlich der Fall sein und sich somit bei unterschiedlichen Nutzungspfaden in einer deutschen Region nicht unterscheiden sollte. Weiter differenziert werden soziale Kriterien in Bezug auf Biomassenutzung bei den vorliegenden Ansatzen jedoch nicht. Diese Differenzierung der sozialen Kriterien wird mit dem hier beschriebenen Ansatz realisiert.