Formliches Verfahren

Die Durchfuhrung des formlichen Verfahrens ist in § 10 BImSchG i. V. m. mit der 9. BImSchV4 geregelt.

Das formliche Verfahren ist zwar deutlich komplexer und zeitaufwandiger als das vereinfachte Verfahren, verschafft dem Antragsteller im Gegenzug aber auch ein hoheres MaB an Rechtssicherheit. Aus diesem Grunde steht es dem Vorhaben — trager gemaB § 19 Abs. 3 BImSchG auch frei, die Durchfuhrung eines formlichen Verfahrens zu beantragen, obwohl die Genehmigung im vereinfachten Verfahren erteilt werden konnte.

Verfahrensablauf

Das formliche Verfahren lasst sich grob in drei Verfahrensabschnitte gliedern:

• Vorabberatung

— Bereits vor Stellung des Genehmigungsantrags kann der Vorhabentrager sich im Hinblick auf den weiteren Ablauf des Genehmigungsverfahrens ratsuchend an die zustandige Behorde wenden. Sobald die Genehmigungsbehorde uber das geplante Vorhaben unterrichtet wird, soll sie den Trager des Vorhabens im Hinblick auf die Antragstellung beraten und mit ihm den zeitlichen Ablauf des Genehmigungsverfahrens sowie sonstige fur die Durchfuhrung dieses Verfahrens erhebliche Fragen erortern (§ 2 Abs. 2 der 9. BImSchV).

— Der Vorhabentrager wird im Rahmen des sog. „Scoping“ unter anderem daruber informiert, welche Antragsunterlagen einzureichen sind, welche Anforderungen im Hinblick auf die Nachbarschaft zu beachten sind, welche Gutachten voraussichtlich eingeholt werden mussen und wie der zeitliche Ablauf des Genehmigungsverfahrens ausgestaltet werden kann.

• Genehmigungsantrag und Vollstandigkeitsprufung

— Das eigentliche Genehmigungsverfahren beginnt mit der Stellung des schriftlichen Genehmigungsantrags (§ 2 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV). Dem Antrag mussen die zur Prufung erforderlichen Unterlagen beigefugt werden, die es der Behorde erlauben, das Vorliegen der Genehmigungs — voraussetzungen zu prufen. Eine Aufzahlung der im Regelfall erforderlichen Unterlagen enthalten die §§ 4 bis 4e der 9. BImSchV.

— Die Genehmigungsbehorde hat dem Antragsteller den Eingang des Antrags und der Unterlagen unverzuglich schriftlich zu bestatigen. Sodann hat sie die Vollstandigkeit der Antragsunterlagen zu prufen, wofur ihr in der Regel eine Frist von einem Monat zur Verfugung steht, die nur in begrundeten Aus — nahmefallen einmal um zwei Wochen verlangert werden kann (s. §§ 6 und 7 der 9. BImSchV).

— Sind der Antrag oder die Unterlagen nicht vollstandig, so hat die Genehmigungsbehorde den Antragsteller unverzuglich aufzufordern, den Antrag oder die Unterlagen innerhalb einer angemessenen Frist zu erganzen. Lasst der Antragsteller diese Frist grundlos verstreichen, wird sein Antrag in der Regel ohne weitere Prufung abgelehnt.

— Liegen die Unterlagen vollstandig vor, unterrichtet die Behorde den Antrag­steller schriftlich hieruber sowie uber den geplanten weiteren zeitlichen Ablauf des Genehmigungsverfahrens. Mit dieser Unterrichtung setzt sie zugleich die vorgesehene Entscheidungsfrist in Gang. Im formlichen Genehmigungsver­fahren hat die Behorde ab Mitteilung der Vollstandigkeit grundsatzlich sieben Monate Zeit, um uber den Genehmigungsantrag zu entscheiden. Die Frist kann um drei Monate verlangert werden, wenn dies wegen der Schwierig — keit der Prufung oder aus Grunden, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, erforderlich ist (§ 10 Abs. 6a BImSchG).

• Offentlichkeitsbeteiligung

— Wenn die Antragsunterlagen vollstandig sind, fuhrt die Behorde die nach § 10 Abs. 3 BImSchG verbindlich vorgeschriebene Offentlichkeitsbeteiligung durch, die mit der offentlichen Bekanntmachung des Vorhabens beginnt. Im Anschluss werden die vorhabenbezogenen Unterlagen fur einen Monat offent — lich zur Einsicht ausgelegt. Binnen dieser Auslegungsfrist kann jedermann ohne Angaben von Grunden die Unterlagen einsehen und bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist schriftlich Einwendungen gegen das Vor — haben erheben.

— Parallel zur Offentlichkeitsbeteiligung werden auch diejenigen Behorden, deren Aufgabengebiet durch das Vorhaben beruhrt wird, uber das Vorhaben unterrichtet und aufgefordert, innerhalb eines Monats Stellungnahmen abzu — geben.

— Einwendungen, die nicht innerhalb der Einwendungsfrist erhoben worden sind, konnen in der Folge weder im weiteren Genehmigungsverfahren noch klageweise geltend gemacht werden. Diese sog. Praklusion von Ein­wendungen hat eine erhebliche Einschrankung der Klagemoglichkeiten Dritter zur Folge und verschafft im Gegenzug dem Antragsteller eine hohere Planungs — und Rechtssicherheit. Die Praklusion erstreckt sich jedoch nicht auf Tatsachen, die erst nach Ablauf der Einwendungsfrist eingetreten oder bekannt geworden sind und daher innerhalb der Einwendungsfrist noch nicht vorgebracht werden konnten.

Nach Ablauf der Einwendungsfrist werden die rechtzeitig gegen das Vorhaben erhobenen Einwendungen von der Genehmigungsbehorde in der Regel mit dem Antragsteller und denjenigen, die Einwendungen erhoben haben, erortert (§ 10 Abs. 6 BImSchG). Dieser sog. Erorterungstermin findet ublicherweise circa drei bis sechs Wochen nach Ende der Einwendungsfrist statt. Die Durchfuhrung eines Erorterungs — termins ist jedoch nicht zwingend. Ein Erorterungstermin kann etwa dann entfallen, wenn die erhobenen Einwendungen nach Einschatzung der Genehmigungsbehorde keiner Erorterung bedurfen (§ 16 Abs. 1 Nr. 4 der 9. BImSchV). Nachdem all diese Verfahrensschritte durchlaufen sind, trifft die Behorde schlieblich ihre verfahrens — abschliebende Entscheidung, die entweder in der Erteilung oder der Versagung der beantragten Genehmigung besteht. Dabei handelt es sich um eine sog. gebundene Entscheidung: Wenn alle Genehmigungsvoraussetzungen vorliegen, steht der Behorde kein Ermessen zu; sie muss die beantragte Genehmigung erteilen. In der Praxis sind die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen allerdings regelmabig mit zahlreichen Nebenbestimmungen verbunden, die insbesondere die Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen sicherstellen sollen.