Einbindung von Versicherungen in die Finanzierungsstruktur

Ein auf das Projekt bezogenes Risikomanagement bedarf eines zugeschnittenen Versicherungsprogramms wahrend der Errichtungs — und Betriebsphase. Der Erwerb von Versicherungsschutz ist der entgeltliche Transfer bestimmter eigener Risiken in die Bilanzen von Versicherungen. Okonomisch besteht damit kaum ein Unterschied zwischen der Risikoubertragung auf eine Versicherung oder andere Beteiligte, so dass die obigen Uberlegungen zum Risikotransfer auch hier gelten. Dr. Michael Harig stellt im Abschn. 5.1 verschiedene Aspekte der Einbindung von Versicherungen in eine Projektfinanzierungsstruktur vor.

Bei der Einbindung von gewerblichen Versicherungen in ein Risikomanagement — konzept sind folgende Aspekte zu beachten:

1. Bei Projektfinanzierungen gilt ein gestuftes Subsidiaritatsprinzip: Zunachst wird nach okonomischen Prinzipien verhandelt, welche Projektpartei welches Risiko ubernimmt, bevor die Einbindung einer Versicherung erfolgt. Die Entscheidung ob, wann, zu welchen Konditionen und in welchem Umfang ein Risikotransfer vorgenommen werden muss, ist keine isolierte Entscheidung, sondern Teil eines geschlossenen Risikomanagementprozesses.

2. Versicherungen werden den Versicherungsnehmer regelmafiig auf bestimmte Verhaltensweisen und Informationspflichten verpflichten, die wiederum Ruck — wirkung auf die Vertragserfullung auch anderer Vertrage haben werden. Neben den Anforderungen an eine Versicherbarkeit von einzelnen Risiken, die fur die Planbarkeit der Cashflows von grofier Bedeutung ist, tritt die Anforderung, uber den Umfang und die Ausgestaltung der Versicherungen die richtigen Anreize fur die Projektbeteiligten zu setzen.

Bei der Einbindung von Versicherungen in ein Risikomanagementkonzept sind folgende Aspekte zu beachten: Zunachst einmal muss die Versicherung prufen, ob ein Risiko uberhaupt versicherbar ist, wobei verschiedene Prufungsebenen zu unterscheiden sind. In einem ersten Schritt wird gepruft, ob die Risiken anreiz — kompatibel verteilt sind: Dies verlangt, dass Projektbeteiligte, die ein Risiko auch ublicherweise kontrollieren konnen, dies auch im konkreten Einzelfall tun. Umge — kehrt: Eine Versicherung wird beispielsweise kaum ein Fertigstellungsrisiko uber — nehmen, wenn der Anlagenbauer nicht einen wesentlichen Teil dieses Risikos selbst ubernimmt.

Als weitere, versicherungs-mathematische Bedingungen werden dabei der Zufallsgrad eines Schadenseintritts, die eindeutige Zurechenbarkeit des Ver — sicherungsfalls auf ein versichertes Ereignis und die Abschatzbarkeit der finanziellen Konsequenzen bei Risikoeintritt untersucht. Zentral fur die Versicherbarkeit von Projektrisiken ist, dass uberhaupt ein Sachschaden an den versicherten Sachen ent — standen ist und dass dieser unvorhergesehen eingetreten ist. Dies bedeutet zunachst, dass einzelne Teile der Projektanlage zerstort oder beschadigt sein mussen; die blofie Mangelhaftigkeit einer Sache genugt nicht (Hauke und Kottke 2010, S. 60 f.).

Ebenfalls wird kein Versicherungsschutz greifen, wenn ein Schadenereignis unvermeidbar ist und definitiv eintreten wird. Die Zufalligkeit bzw. die Ungewiss — heit uber das Entstehen, den Zeitpunkt und/oder die Schadenhohe sind zwingend erforderlich. Zu den vorhersehbaren Schaden von Windvorhaben zahlen ins — besondere Schaden durch Abnutzung und Verschleifi. Es ist eindeutig, dass einzelne Komponenten — wie etwa der Generator — nur eine begrenzte Lebensdauer aufweisen und damit kein zufalliges Schadensereignis ursachlich ist. Der Ver­sicherungsnehmer muss damit rechnen, dass Verschleifiteile nach einer gewissen Zeit zwangslaufig ausgetauscht werden mussen. Vorhersehbar sind etwa Schaden durch bekannte Mangel, welche nicht versicherbar sind. Sind Mangel bekannt, so ist die Projektgesellschaft verpflichtet, diese zu beseitigen. Ohne Versicherungs­schutz kame der Sachschaden wahrscheinlich gar nicht erst zustande, da sofort Mafinahmen zur Verhinderung eingeleitet worden waren. Aus diesem Grund kann eine Versicherung nicht eine Entschadigung leisten, die grob fahrlassig aufgrund der Kenntnis des Versicherungsschutzes verursacht worden ist.

In der Gesamtbetrachtung erweisen sich Versicherungen als aufierst vielschichtige Strukturelemente fur die Absicherung und Optimierung von Projektfinanzierungen. Sie erlauben unter den beschriebenen Voraussetzungen eine notwendige residuale

Absicherung gegenuber spezifischen Projektrisiken und sind damit ein unverzicht — barer Bestandteil einer Risikoallokation.

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