Risikomanagement bei Biogasprojekten

In der betriebswirtschaftlichen Literatur existiert eine Vielzahl von Interpretations — varianten fur den Begriff des Risikos.[4] Risiko soll hier als negative Abweichung vom Planwert einer Zielgrofie verstanden werden, da sie fur jeden Beteiligten eine Verlustgefahr bedeutet (in Anlehnung an Hupe (1995), S. 46).[5]

Durch das Risikomanagement soll ein systematischer und erfolgsorientierter Ansatz zum Umgang mit Risiken erreicht werden. Dies gilt insbesondere fur Projektfinanzierungen, da die Neuartigkeit und Einzigartigkeit jedes Projekts unbekannten Einflussfaktoren unterliegt, welche zu Risikopositionen fuhren (Hupe 1995). Des Weiteren ergeben sich durch die zukunftsgerichtete Cashflow — Orientierung und die damit verbundene Ruckgriffsbegrenzung auf die Sponsoren spezielle Anforderungen an das Risikomanagement, da hierdurch regelmafiig auch unternehmerische Risiken auf die Fremdkapitalgeber ubertragen werden (Hopfner 1995, S. 166 ff.).

Tab. 2.1

Erfolgsfaktoren einer Projektfinanzierung im Bereich Biogas

1.

Verlasslichkeit und Prognostizierbarkeit des Rechts- und Regulierungsumfeldes/Durchsetzbarkeit von Vertragen

Qualitative

Projekt-Prufung

2.

Einsatz nur von bewahrter Technik

3.

Angemessene Risikozuweisung zu einzelnen Projektbeteiligten

4.

Rechnerische Wirtschaftlichkeit des Vorhabens

4.1

Volatilitaten des Hauptrisikotreiber

4.1.1 Einzahlungen und Auszahlungen

CF-Modell/

Rating-Tool

4.1.2 Volatilitaten

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4.1.3 Makrookonomische Faktoren (i. w. Zinssatzentwicklung)

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4.2

Unsicherheiten uber das Niveau der Prognose fur die Cashflows, so genannte Banking Case Uncertainty (BCU)

Rating-Tool

Korrelationen zwischen den Hauptrisikotreibern, insbesondere zwischen den Kosten und Erlosen

CF-Modell/

Rating-Tool

Die Bedeutung der Behandlung von Risiken im Zusammenhang mit einer Pro — jektfinanzierung ergibt sich unmittelbar aus ihrem Charakter: Da es allein das Vorhaben ist, das als wirtschaftliche Basis fur die angemessene Eigenkapitalver — zinsung und die Bedienung des Kapitaldienstes dient, ist die Werthaltigkeit und die Robustheit des Projekts von entscheidender Bedeutung. Da das Projekt aber erst sukzessive entsteht, lasst sich die Wirtschaftlichkeit nur per Prognose bestimmen. Da die Perspektive in die Zukunft zunehmend unsicher ist, hat sich die Prognose mit dem Eintritt aller Arten von Einflussen zu befassen, deren Wirkung auf das Projekt einzuschatzen und nach Wegen zu suchen, ob und inwieweit einzelne Pro — jektbeteiligte bereit sind, das Projekt von Risiken freizuhalten.

Dabei lassen sich die Erfolgsfaktoren von Biogasprojekten wie in Tab. 2.1 beschreiben.

Die ersten drei genannten Aspekte — Stabilitat des Rechts — und Regulierungs — umfeldes, Einsatz bewahrter Technik und Risikoallokation — mussen bei jeder Pro — jektfinanzierung vollumfanglich erfullt sein. Sobald diese Anforderungen erfullt sind, geht es letztlich um eine finanzielle Optimierungsaufgabe, die in Abhangigkeit von den Volatilitaten der verschiedenen EinflussgroBen zu losen ist. Der erste Teil der Projektprufung ist damit eher grundsatzlicher Natur, der zweite Teil Gegenstand der Risikoquantifizierung.

Am Anfang des Einsatzes von Projektfinanzierungen steht die Frage nach der grundsatzlichen Geeignetheit der einzusetzenden Technik, die eine klare und lang — fristig stabile Energieproduktion garantieren muss.

Einnahmen

Betriebskosten

Fmanzierungskoslen

Preis

Energiemenge

t

t _—

‘ ♦

Rechts — und

Reguherungs-

umfeld

Ressourcenangeb ot am Starxlon (Wind Sonne Biomasse)

Vertugbarkeit und Zuveriassigkeit der Techmk

z В Bet nebs — und Wartungskosten

Zins und Tilgung der ВиШіи

Zuverlassig und

vortumglbar?

Emschatzung durch Gutachter

Qualitat der WEAs

Grundlage Schatzungen Vertrage und Erfahrungswerte

Weitgehende Fixierurvg bei Financial Close

Abb. 2.5 Einflussfaktoren fur die Wirtschaftlichkeit

die in gleicher oder ahnlicher Weise bei den meisten Projektfinanzierungen zu einer Gefahrdung des Cashflows fuhren konnen und insofern Gegenstand des Risikomanagements sein mussen. Zur Visualisierung ist es haufig hilfreich, die EinflussgroBen der Wirtschaftlichkeit eines Vorhabens darzustellen, wie wir es in Abb. 2.5 gemacht haben:

Eine zweckmafiige Unterteilung der Risiken kann so erfolgen, dass sie in Bezug auf ihre Inhalte und ihre Ursachen weitgehend uberschneidungsfrei ist und auf die Moglichkeiten ihrer Beeinflussbarkeit durch die verschiedenen Projektbetei — ligten abgestellt wird. Eine solche Gliederung erscheint sinnvoll, da sich in der Praxis unterschiedliche Maflnahmen herausgebildet haben, die die Risiken meist mit einem moglichst engen Bezug zu ihren Ursachen handhaben.[6] Daher wird im Folgenden unterschieden zwischen Risiken, die von der Projektgesellschaft oder anderen Projektbeteiligten kontrolliert werden konnen (projektendogene Risiken) und solchen Risiken, die auflerhalb der Projektbeteiligten auf das Projekt einwirken (projektexogene Risiken). Eine Besonderheit von projektexogenen Risiken stellen Risiken dar, die von keiner der am Projekt beteiligten Parteien kontrolliert werden konnen, so genannte Force-Majeure-Risiken.

Diese Unterteilung ist wirtschaftlich zweckmafiig, da die Methodik der Pro — jektfinanzierung wesentlich darin besteht, belastbare Vertrage zwischen der Pro — jektgesellschaft und zentralen Projektbeteiligten zu strukturieren, die damit Risiken vom Projekt fernhalten. Dies erfordert die vertragliche Einbindung von Projektbe­teiligten in das Projekt, oder anders formuliert: Endogene Risiken sind aus Sicht der Projektgesellschaft besser beherrschbar als exogene Risiken. In Tab. 2.2 haben wir eine Klassifizierung der verschiedenen Projektrisiken angegeben und auch die Abschnitte, die die jeweiligen Teilthemen in diesem Buch behandeln.

Wichtig ist: Es ist die Vertragsstruktur, die bei einzelnen Risikotypen daruber entscheidet, ob es sich um endogene oder exogene Risiken handelt: So uberfuhrt erst die vertragliche Verpflichtung des Abnehmers, Produkte der Projektgesellschaft

Tab. 2.2 Ubersicht uber exogene und endogene Risiken

Endogene Risiken

Exogene Risiken

Fertigstellungsrisiko (4.4)

Technisches Risiko im weiteren Sinne

Management — und Betriebsrisiko (3.2, 3.4)

Ressourcenrisiko (4.2)

Absatzrisiko (3.1)

Zuliefererrisiko (3.3, 4.1)

Abandonrisiko

Marktrisiko (3.1)

Technisches Risiko i. e. S. (4.2, 4.3)

Vertragsrisiko (3.1, 3.2, 3.3, 3.4 und 5.1)

Wechselkursrisiko

Rechts — und Regulierungsumfeld (3.1, 3.3)

Inflationsrisiko

Zinsanderungsrisiko

Force-Majeure-Risiko

zu einem bestimmten Preis, einer bestimmten Menge und Qualitat abzunehmen, ein exogenes Marktrisiko in ein endogenes Absatzrisiko. Die wesentlichen Projek — trisiken haben wir in Tab. 2.2 dargestellt, wobei wir auch jeweils angegeben haben, in welchem Teilabschnitt dieses Buches diese Themen behandelt werden.

In vielen Bereichen haben sich im Laufe der Zeit bestimmte Grundverteilungs — regeln von Risiken etabliert. Da die Technik der Projektfinanzierung fur bestimmte Bereiche, z. B. Offshore-Windenergieprojekten — aber verhaltnismabig neu ist, haben sich bestimmte Grundregeln noch nicht trennscharf herausgebildet und zwingen zu neuen Diskussionen uber eine angemessene Zuordnung von Chancen und Risiken.

Die verschiedenen Einzelrisiken konnen adressiert und durch Einbindung der verschiedenen Projektbeteiligten in ihren Auswirkungen auf das Projekt zumindest gemildert werden. Gleichwohl verbleiben Restrisiken, die uber ubergeordnete Sicherungssysteme aufgefangen werden mussen. Zu diesen Systemen zahlen neben dem Aufbau einer effizienten Informationsstruktur vor allem die Entwicklung einer stabilen Projekt — und Finanzierungsstruktur. Abbildung 2.6 soll die Zusammenhange verdeutlichen.

Fur ein erfolgreiches Risikomanagement ist es wichtig, ausgehend von den identifizierten Risiken eines Projektes deren Auswirkungen auf die okonomische Leistungsfahigkeit und Belastungsfahigkeit zu erfassen. Dadurch lassen sich Erkenntnisse fur die Auswahl der risikopolitischen Mabnahmen und die erfolg — reiche Bewaltigung von Krisensituationen gewinnen. Hierzu bedarf es einer Risikoquantifizierung, die den Einfluss der einzelnen Projektrisiken auf den Cashflow abbildet.

Erkennbar ist aber auch, dass das Thema Risikomanagement eines gemein — schaftlichen Antritts von Spezialisten aus Recht, Technik und Wirtschaft bedarf. Die Projektbeteiligten eines Vorhabens werden die Teilaspekte ihrer Einbindung in der Abb. 2.6 wieder finden, aber erst durch ihr abgestimmtes Zusammenspiel lasst sich ein tragfahiges Projekt entwickeln und realisieren.

Im Anschluss an diese allgemeine Darstellung zum Risikomanagementprozess werden wir im folgenden Abschn. 2.4 die verschiedenen Einzelrisiken skizzieren, die bei Biogasvorhaben von besonderer Bedeutung sind.

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Abb. 2.6 Risikomanagementprozess bei einer Projektfinanzierung — Teil I